Der Brief

Ei wohlauf, du schöngelockte
Sklavin Nape, schlau und fein!
Warst so oft mir zu Gefallen,
Wirst du heute Botin sein?

Trag dies Brieflein zu Corinna;
Wichtig ist's, verstehst du mich?
Hast ja auch von Lieb' erfahren,
Also geh und spute dich!

Fragt sie nach mir, sag: Ich härme
Mich vor Sehnsucht! Fragt sie mehr,
Sag: Es ist dem Briefe schmeichelnd
Anvertraut. Doch eile sehr!

Horch! Kannst ihr das Schreiben geben,
Wenn sie müßig träumend ruht,
Daß sie alsobald es lese.
Noch eins! Achte auf sie gut!

Ob ihr Auge auch beim Lesen
Freundlich schaut, ob grausam kalt -
Und sofort soll sie erwidern,
Und recht vieles. Aber halt!

Sag, ich hasse alle Briefe,
Die nicht vollgeschrieben sind.
Sind die Zeilen noch so enge,
Ich entziffre sie geschwind.

Doch wozu die Hand ermüden,
mir genügt das Wörtchen: Komm!
Und ich häng' in Aphroditens
Tempel auf die Antwort fromm.



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