Der Ring

O Ring, des schönsten Mädchens Hand
Zu schmücken bist du abgesandt.
Du rollst dahin im Siegeslauf,
Sie nimmt dich als willkommne Last
In Ihren Rosenfingern auf.
So passe ihr, wie sie mir paßt.
So streife mit dem Reif ihr leis
Den holden Knöchel, rund und weiß,
Ach neidenswert ist doch dein Los!
Ich schau' auf dich mit scheelem Blick
Und denk' bei mir: O könnt ich bloß
Du selbst sein durch ein Zauberstück.
Dann sieh! Wenn sie des nachts vielleicht
Die Brust mit ihrer Linken streicht
Und in dem Kissen sich begräbt,
Dann glitte ich hinab gar fein,
Und säß' ich auch wie angeklebt
Zu suchen mir ein Plätzelein.
Zwar vor dem Schlafengehen thut
Sie ihren Schmuck ins Kästchen gut,
Und knüpft als letzte Zier allein
Die Rose sich ins Haar hinein,
Das niederwallt in ihren Schoß.
Mich aber windet sie nicht los.
Ich schwör's bei meiner Wesenschaft,
Ich fasse sie mit Doppelkraft,
Bis daß sie schläft in stiller Stund',
- Das Linnen weiß und rot der Mund! -
Dann wacht mein Mut auf, dann erwacht
Mein Leib und wächst von Lieb' entfacht
Mit meinen Wünschen tausendfalt
Empor zu ragender Gestalt;
Und wie durch einen dunklen Bann
Bin ich kein Ring, bin ich ein Mann.
Weh eitle Träume, eitles Leid,
Geh deinen Gang, du kleine Zier,
Und sag mit stummer Lippe ihr,
Wie gut ich's meine alle Zeit!



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