6. Zusätzliche Materialien
6.1. Noch ein begabter Dichter (?)


Aus Alexander Borells Ratgeberkolumne in der Fernsehzeitschrift "Gong" (20-26.10.1994):

Lieber Gedichte schreiben als täglich arbeiten

Kennwort: Gedichte und Urheberrecht - 24 (m.)

Seit einem Jahr schreibe ich Gedichte und finde sie sehr gut. Auch meiner Freundin un deren Schwester und Freund gefallen sie. Nun möchte ich mit diesen Gedichten Geld verdienen, weiß aber nicht, wie. Vielleicht wäre es ja auch möglich, diese von Haus zu Haus zu verkaufen?
Meinen Eltern habe ich auch schon gesagt, daß ich dies lieber täte als täglich arbeiten zu gehen. Können Sie mir bitte ein paar Tips geben? Übrigens, wie schütze ich meine Gedichte vor Mißbrauch? Gibt es hier ein Urheberrercht?

A.B.


Nicht jeder, der eine Fichte von einer Buche unterscheiden kann und sich eine Säge, einen Hobel und einige andere Werkzeuge kauft, ist damit auch schon ein Möbeltischler. Sie erliegen offensichtlich dem gleichen Fehler wie manche andere Menschen, die glauben, wenn sie lesen und schreiben könnten, wären sie auch in der Lage, Schriftsteller und Dichter zu sein. Dabei sind beide Handwerke in meinen Augen mit die schwersten, die es überhaupt gibt, weil sie meistens jahrzehntelange Erfahrung und sehr viele Mißerfolge fordern, ehe ein erster Erfolg überhaupt sichtbar wird.
Vor allem aber müssen Sie eins lernen: es kommt nicht darauf an, daß Sie Ihre Gedichte gut finden, sondern daß man Verleger findet, die das tun und bereit sind, einen Gedichtband zu drucken. Ich kenne auch keinen wirklich großen Dichter oder Schriftsteller, der das, was er schrieb, jemals "gut" fand: Als Autor merkt man hinterher, was alles einem nicht gelungen ist, und ist mit seiner Arbeit nie zufrieden.
Gehen Sie aber ruhig mal in eine Buchhandlung, lassen Sie sich Gedichtbände zeigen und notieren Sie sich die Verlage. Denen können Sie dann Ihre Erzeugnisse anbieten.
Für Veröffentlichungen gibt es selbstverständlich einen Urheberschutz, wenn Sie aber Ihre Manuskripte herumreichen, können Sie sich kaum davor schützen, wenn ein anderer Ihnen Form und Idee stiehlt. Guten Erfolg!
PS: Wörtliche Auszüge aus Ihrem Brief: "Meine Freundin und dessen Schwester" - es heißt "deren Schwester". "Schöhn" - man schreibt "schön" und "Schule" schreibt man auch nicht mit "h". Die Beherrschung der deutschen Sprache ist überhaupt die erste Notwendigkeit, wenn man mit ihr etwas erreichen oder gar Geld verdienen will.


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