Prolog

Heimwärts trägt euch nach Rom der Nordwind, klagende Verse.
Wolken der Trauer, im Süd schüttet ihr aus mein Gedicht.
Leise sinkt es hinab, klopft sanft an das Tor wie der Regen,
denn der Verstoßene wagt, was ihm an Freunden noch blieb,
nicht zu Verrufnen zu machen. So hält er die Hände der Muse,
und die gefesselte Hand schreibt das gebundene Wort.
Freilich rauscht es nicht auf wie ein Wipfel.
                                            Vielmehr wie der Lorbeer,
welcher im marmornen Hof Caesars verkrüppelt sich regt,
zittert mein Lied, denn es wünscht die mächtige Willkür zu rühren,
daß aus verhaßtem Exil heimwärts mich rufe ihr Mund.
Andres schrieb ich indes und hielt es zurück. Denn nicht günstig
ist mir die Zeit. Und vielleicht folgt ins Grab mir das Buch
ungelesener Verse.
                                        Doch einst steht ein Wind auf, und weithin
trägt er den Staub des Ovid, und das vergessene Buch
reißt er aus stürzendem Stein und streut in die Welt die Fragmente.
Nah schon den Ufern des Nichts, ahn ich den künftigen Flug.

Ernst Fischer: Elegien aus dem Nachlaß des Ovid. Leipzig: Insel 1963. 7

Ein Dokument für die Rezeption Ovids (und speziell seiner Exilerfahrung) als auch für die Moderne gültiges Paradigma des Konflikts zwischen Macht und Geist, wie besonders aus dem Nachwort zur Gedichtsammlung "Ovid und Augustus" hervorgeht.