Ovids Liebesbüchlein: Zeitalter von Gold
 
Zeitalter von Gold
 
Wenig gilt der Mann des Geistes
Und der hohen Künstlerschaft. -
Ein Emporkömmling von gestern
Ist's, in den man sich vergafft.
 
Ich bin reich an Witz! So spottest
Du nur: Er ist reich an Gold!
Und du kannst ihm ruhn im Arme,
Herzchen, und ihn küssen hold?
 
O du weißt es nicht, wie diese
Schätze all' erworben sind. -
Weh, es klebt an allen Gütern
Blut von einem Menschenkind.
 
Es mag sein, daß dir am Busen
Er sein Adelswappen preist,
Prahlt von seinen Kriegerthaten
Und auf seine Narben weist.
 
Er verrät dir auch aus Liebe,
Wieviel Menschen er erschlug.
Lasset Bildung, lernet Morden,
Dieses lernt man nie genug.
 
Heute gilt's Soldaten drillen.
Du, Homer, selbst fingest jetzt
An von vorn. Durch Kampf zum Golde!
Zeus gab sich als Gold zuletzt.
 
Ja das waren andre Zeiten,
Da Saturn die Welt regiert.
In der Erde lag der Mammon
Bei den Schatten unberührt.
 
Statt Metalle gab es Früchte,
Ohne Pflug gedieh das Land,
Bis dem Menschen in sich selber
Auch sein größter Feind erstand.

Warum schmiedetest du Waffen?
Was bezwangest du das Meer?
Willst du nicht den Himmel stürmen? -
Ist das Wagestück zu schwer?
 
Sieh, dem armen Mann verschließt sich
Der Senat, und Goldeswert
Schaffet Würde, Amt und Adel:
Wer besitzt, der ist gelehrt?
 
Gut, ihr sollt das Forum haben
Und das Marsfeld noch dazu,
Doch die Weiber gebt den Armen,
Laßt mein Mädchen mir in Ruh.
 
Soll auch sie vor einem Reichen
Krümmen ihren hohen Leib,
Sie, Sabinerin an Stolze,
Kriechen wie ein Sklavenweib?
 
 
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