Ovids Liebesbüchlein: Leb wohl!
 
Leb wohl!
 
Weh', daß man die Fichte fällte, die auf Pelions Höhen stand,
Daß als erstes Schiff der Erde sie den Weg der Fluten fand.
Hätte doch die Todeswoge sie versenkt mit Mann und Maus,
Daß kein Schiffer sich mehr wagte in die weite See hinaus!
Und nun zieht Corinna von mir, und ein Bangen faßt mich an,
Daß der Sturmwind sie umtosen, Frost und Hitze bringen kann.
Nicht auf Wäldern mehr und Städten ihr bewundernd Auge ruht,
Nur auf dieser ewig blauen, ewig schwanken Wasserflut.
Was betrachtest du die kleinen Muscheln und den farb'gen Sand,
Suchst du dort umher, womit du spieltest hier am grünen Strand?
Sieh, der Bootsmann löst die Taue und thut einen bangen Blick
Auf gen Himmel. Nereiden, führt mein Mädchen mir zurück!
Kehrst du wieder, hab' im Hafen ich als erster dich geschaut,
Trage ich dich durch die Fluten, küsse dich zum Willkomm traut.
Und weil dich die Gottheit gnädig schützte, werde mit Bedacht
Und mit frommem Dankgefühle ihr ein Opfer dargebracht.
Brauchst nicht lang zu spähn! Ich häufe einen Pfühl von Gras und Blatt,
An dem Strand ein kleiner Hügel steht bereit an Tisches statt.
Und wir füllen die Pokale. Du erzählst mir, wie dir's ging,
Wie dein Schifflein fast gescheitert, wie dein Herz in Träumen hing,
Wie du meiner stets gedenkend mit der Sehnsucht Riesenflug
Bist vorausgeeilt dem Winde, der dich zu der Heimat trug.
Lucifer, der fernhin leuchtet, bringe nur den Tag herbei,
Daß er, aufgeputzt mit Rosen, meines Glückes Zeuge sei.
 
 
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