Grundlagen

Autor

Tacitus charakterisiert so den Petronius Arbiter. Zwar findet man den von Tacitus tradierten Vornamen Gaius mehrfach in der Sekundärliteratur, nach heutiger Ansicht dürfte der korrekte Vorname dieses Mannes aber wohl Titus gewesen sein. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist dieser Titus Petronius Arbiter, der als arbiter elegantiae ein enger Vertrauter des Kaisers Nero und an dessen Hof für Fragen des feinen Geschmacks zuständig war, identisch mit dem Verfasser des Satyricon.

 

Das Satyricon

Diese Großsatire, die im ersten nachchristlichen Jahrhundert spielt, ist nur fragmentarisch erhalten, ursprünglich dürfte sie ca. 20 Bücher umfaßt haben. Ihre Hauptperson und gleichzeitig der Erzähler ist ein gebildeter, vielseitig interessierter junger Mann namens Encolpius, der sich den Zorn des Gottes Priapus zugezogen hat und nun von diesem Schicksal kreuz und quer durch die verschiedensten Gegenden Unteritaliens getrieben wird. Zwischen mannigfaltigen erotisch-amourösen Abenteuern mit Personen beiderlei Geschlechts und vielen Schelmenstreichen wird er auch in eine campanische Küstenstadt verschlagen.

In dieser Stadt, vermutlich dem heutigen Pozzuoli, findet Encolpius zusammen mit seinem ständigen Begleiter Giton, mit seinem Freund Ascyltos sowie dem Rhetor Agamemnon die Gelegenheit, an einem bemerkenswerten Gastmahl teilzunehmen.

Die Cena Trimalchionis

Diese Episode, die unter dem Namen Cena Trimalchionis den berühmtesten Abschnitt des Gesamtwerks darstellt, bildet gleichzeitig die Mitte und die Hauptpartie der Bruchstücke. Der Gastgeber dieses Mahls ist Trimalchio, ein aus Kleinasien stammender Freigelassener, die Gäste sind ebenfalls allesamt ehemalige Sklaven und daher vermutlich zu einem großen Teil Ausländer.

So ist die Cena Trimalchionis nicht nur eine einzigartige Fundstätte für das Vulgärlatein, sie besticht auch durch ihre satirisch-karikierenden Züge. Dies wird an den Tischgesprächen der einzelnen Gäste deutlich, vor allem aber an der Gestalt des Trimalchio, in der Bildungslücken und primitive Denkart auf amüsante Weise gepaart mit dem immensen Geltungsbedürfnis des reichen Emporkömmlings zutage treten.

Über das Vulgärlatein sowie über die parodistischen Merkmale in der Cena Trimalchionis und über die Schwierigkeiten der gattungsgeschichtlichen Einordnung des Satyricons ist reichlich Literatur vorhanden, nicht aber über die Gerichte in Trimalchios Gastmahl. Das ist vermutlich darin begründet, daß sie nur den hintergründigen Rahmen bilden, um daran die Eigenheiten der Zeit im Milieu und Niveau der Freigelassenen aufzuzeigen.

Dennoch ist die Cena Trimalchionis eine hervorragende Quelle, anhand derer sich typische Gerichte und Tischsitten im Rom der frühen Kaiserzeit darstellen lassen. Hat doch der Mensch die Befriedigung seiner physiologischen Grundbedürfnisse Essen und Trinken im Laufe der Geschichte zu einer Eß-, Trink- und Tischkultur stilisiert, hat doch jedes Volk diese Kultur unterschiedlich entwickelt, so daß die eigenen, speziellen Zutaten, Zubereitungsmethoden und Verzehrweisen nachgerade zu charakteristischen Merkmalen eines Volkes geworden sind.

Quellenlage

Schriftliche Quellen

An schriftlichen Quellen stehen zur Erforschung der altrömischen Gepflogenheiten poetische Werke wie die Cena Trimalchionis und mehrere landwirtschaftskundliche Bücher, wie Catos De agri cultura zur Verfügung. Bedauerlicherweise hat nur ein einziges lateinisches Kochbuch die Zeit bis in die Gegenwart überdauert - das Kochbuch des Apicius. Wenn auch in der Vergangenheit oftmals angezweifelt wurde, ob dieses Buch wirklich aus der Feder des Feinschmeckers Marcus Gavius Apicius stammt und nicht vielmehr von einem Koch namens Caelius zusammengestellt wurde, soll diese Vermutung hier relativiert werden. Die uns heute vorliegende Fassung des Apicius-Kochbuches stammt aus dem vierten nachchristlichen Jahrhundert, sie kann also gar nicht von dem berühmten Apicius, der im ersten Jahrhundert nach Christus lebte, ediert worden sein. Die aktuelle Forschung steht auf dem Standpunkt, daß das Apicius-Kochbuch das typische Schicksal eines Kochbuches ereilte - man paßte es durch Neuauflagen und Änderungen dem jeweiligen Zeitgeschmack an. Doch trotz aller Umgestaltungen kann man davon ausgehen, daß ein großer Teil, nämlich 300 der 478 erhaltenen Rezepte, ursprünglich von Apicius verfaßt wurde.

Auch Seneca hat Apicius erwähnt und charakterisiert: "Cuius exitum nosse operae pretium est. Cum sestertium millies in culinam coniecisset, cum tot congiaria principum et ingens Capitolii vectigal singulis comisationibus exsorpsisset, aere alieno oppressus, rationes suas tunc primum coactus inspexit; superfuturum sibi sestertium centies computavit, et, velut in ultima fame victurus si in sestertio centies vixisset, veneno vitam finivit."

"Dessen Ende zu kennen lohnt sich. Als er 100 Millionen Sesterzen für die Küche aufgewandt hat, als er so viele Geschenke der Kaiser und die ungeheure Steuer des Kapitols in einzelnen Gelagen verpraßt hatte, da erst zog er, von Schulden gedrückt, notgedrungen Bilanz; er rechnete aus, daß ihm 10 Millionen Sesterzen übrigbleiben würden, und als ob er im ärgsten Hunger leben müßte, wenn er mit 10 Millionen Sesterzen lebte, beendete er sein Leben mit Gift.".

Als weitere schriftliche Quellen sind Inschriften zu erwähnen, die weniger die Tischsitten oder die Zutaten der Gerichte charakterisieren, sondern vielmehr wertvolle Informationen über die Warenpreise der damaligen Zeit liefern. So erließ der Kaiser Diokletian im Jahr 301 n. Chr. ein Preisedikt für die Maximalpreise verschiedenster käuflicher Güter, das im ganzen imperium Romanum gelten sollte. Aus diesen Preisangaben darf man aber bei der Behandlung der Rezepte und Gerichte in der Cena Trimalchionis nur bedingt Rückschlüsse ziehen. So ist zu berücksichtigen, daß in den zweihundert Jahren, die die Entstehung der Cena Trimalchionis von der des Diokletiansedikts trennen, verschiedene Modeströmungen aufgetreten und wieder verschwunden sind, außerdem eine Inflation die Wirtschaft heimgesucht und geschwächt hatte. Doch kann man an den Preisen im Edikt des Diokletian gewisse Tendenzen und Relationen erkennen, die auch für die Zeit gelten, in der Petrons Werk handelt.

Archäologische Quellen

Im Vergleich zu den schriftlichen Quellen zu diesem Thema sind die archäologischen Quellen ungleich zahlreicher. Aus Geschirrfunden, Malereien, Reliefdarstellungen, Grabmälern und Grabbeigaben lassen sich ebenso Rückschlüsse ziehen wie aus den karbonisiert erhaltenen Lebensmitteln, die in der Stadt Pompeji durch den Vesuvausbruch in Orginalgröße und -form konserviert wurden. Schließlich spielen auch archäologische Funde von Tierknochen, verschiedenen Schalen und anderen Nahrungsresten eine erhebliche Rolle bei der Einordnung bestimmter Zutaten und Gerichte. Durch immer weiter verfeinerte Ausgrabungsmethoden und die Möglichkeit der exakteren Altersbestimmung hat die Forschung gerade auf dem Gebiet der Ernährung große Fortschritte gemacht.

Die vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse versetzen in die Lage, weitestgehend Gesichertes über die Ernährungsgewohnheiten im alten Rom auszusagen.

 

 

ê nächstes Kapitel