Die Vorspeise allgemein

Obwohl, wie eben erwähnt, keine festen Grundsätze existierten, läßt sich doch darstellen, daß bestimmte Nahrungsmittel in der Vorspeise einer cena bevorzugt verwendet wurden.

Begriff

Unsere Suppe kannte das Altertum nicht. Die Vorspeise antecenia, frigida mensa, gustus, gustum oder gustatio war darauf berechnet, das Mahl mit leichten, die Verdauung fördernden, den Appetit reizenden und den Magen durch Aufstoßen erleichternden Speisen zu beginnen. Hierbei bildet die Bezeichnung "gustatio", die Petron verwendet (Petr. 21,6; 31,8), eine Besonderheit, denn dieser Begriff taucht nur noch in einem einzigen weiteren Werk auf, der Historia apollinii.

Alle genannten Begriffe bezeichnen das vor den Hauptgerichten der cena auf dem "gustatorium" (Petr. 34,1) oder "promulsidare" (Petr. 31,9) aufgetragene Vorgericht. Bei dem gustatorium respektive dem promulsidare handelt es sich um ein besonderes Gestell, auf dem die Vorspeise lecker angerichtet serviert wurde.

Getränk

Zur gustatio wurde mit Honig angemachter Wein getrunken, weshalb die Vorspeise auch promulsis hieß. Man trank das "mulsum" (Petr. 34,1), weil es auf nüchternen Magen bekömmlicher war als reiner Wein und weil es "die Därme erst einmal vor dem Essen durchspülte".

Allgemeine Bestandteile

Eier

Doch wichtiger als das Getränk waren in der Vorspeise die Gerichte. Ganz oben in der Beliebtheitsskala - und als einziges Nahrungsmittel fast ausnahmslos in jeder Vorspeise vertreten - rangierten die Eier, die, meistens weichgekocht, den Auftakt eines römischen Abendessens bildeten. Sie gehörten auch in den einfacheren Haushalten zum festen Bestandteil der gustatio, so daß "ab ova ad mala" eine sprichwörtliche Bezeichnung für "vom Anfang bis zum Ende" werden konnte.

Gemüse und Salate

Bedeutung

In Rom war es, wie auch in Griechenland, üblich, daß jedes Bauernhaus einen Garten für Gemüse- und Gewürzpflanzen hatte. Aber auch die Stadtbewohner bemühten sich um geeignete Flächen, auf denen sie ihr Gemüse kultivieren konnten. Wenn der dafür benötigte Grund fehlte, behalf man sich mit Kästen, die dann, unseren Blumenkästen ähnlich, vor den Fenstern aufgehängt oder auf die Flachdächer der Häuser gestellt wurden. Für die ärmsten Stände war der Besitz eines Gemüsegartens geradezu überlebensnotwendig, da das selbstangebaute Gemüse die einzige Zukost zum puls bildete. Entsprechend aufwendig gestaltete sich die Pflege des Gartens. Die zusätzlich zum eigenen Anbau benötigten enormen Mengen konnte die Stadt unmöglich selbst oder aus ihrer Umgebung decken. Man importierte deshalb das Gemüse unter anderem aus Cumae, Signia, Capua, Neapolis, Pompeji, Tibur und aus Aricia.

Einteilung

Leider haben sich in den archäologischen Untersuchungen aufgrund der schnellen und rückstandsfreien Kompostierung der Pflanzen keinerlei Anhaltspunkte für den Verzehr finden lassen, so daß man ausschließlich auf schriftliche Überlieferungen angewiesen ist.

Diesen zufolge wurden Gemüse und Salate aller Art, das Hauptnahrungsmittel des Volkes, pikant zubereitet auch bei den Vorspeisen aufgetragen.

Bei dem Versuch der Einteilung der im alten Rom verzehrten Pflanzen in Gemüse und Salate darf man sich nicht von verkehrten Vorstellungen leiten lassen. Das deutsche Wort Gemüse bezeichnet, wie auch das Wort Salat, keine bestimmte Pflanzengruppe, sondern nur eine Zubereitungsart. Gemüse beispielsweise umfaßte in seiner ursprünglichen Bedeutung alle Pflanzen, die zu Mus gekocht werden konnten. Deshalb läßt sich auch kaum eine äquivalente Übersetzung für Gemüse aus dem Deutschen in eine andere Sprache finden, und ähnlich verhält es sich auch mit Salat. In der Literatur versuchte man häufig, die in Rom gegessenen Salate und Gemüse mit Zwangseinteilungen in eine Art von Übersicht zu bringen, woraus natürlich sehr schnell Fehler entstehen konnten. So ist beispielsweise auch die Einteilung der Gemüse in die drei Gruppen Hülsenfrüchte, Wurzel- und Knollenpflanzen und Grüngemüse aus heutiger Sicht einfach falsch.

Es lassen sich keine Regeln dafür aufstellen, welche Pflanzen die Römer ausschließlich als Gemüse oder als Salat oder als Gemüse und Salat zubereiteten. Dementsprechend darf es auch nicht verwundern, wenn die Römer eine Pflanze als Salat verzehrten, die wir heute als Gemüse kennen oder umgekehrt. In Rom wurde das Gemüse gewöhnlich in Salzwasser gekocht und dann mit einer schmackhaft-deftigen Zutat wie Öl, ausgelassenem Speck, Kümmel oder einem anderen Gewürz verfeinert.

Die einzige wirklich konkrete, allgemeingültige Aussage über Gemüse im alten Rom ist, daß es um so beliebter war, je weniger Nährwert man ihm nachsagte. Dabei decken sich römische Nährwertvorstellungen keineswegs immer mit den heutigen wissenschaftlich ermittelten.

Hülsenfrüchte

Den Hülsenfrüchten wurde der größte Nährwert zugesprochen. Am gebräuchlichsten waren in der Kaiserzeit Linsen, Bohnen, Erbsen und Lupinen. Diese wurden häufig von den unteren Ständen gegessen, die dann auch - sofern sie überhaupt finanziell in der Lage waren, sich eine ausführliche Hauptmahlzeit zu leisten - ihre cena entsprechend ausrichteten. So wurden die als blähend verschrieenen Bohnen nur von Bauern, Schmieden, Gladiatoren oder Soldaten verzehrt.

Trotzdem kann man nicht alle Hülsenfrüchte pauschal als geringgeschätzt ansehen, aus Ägypten importierte Linsen etwa erfreuten sich auch unter Feineren einer gewissen Beliebtheit. Auch Apicius wendet sich dem Thema ihrer Zubereitung in mehreren Rezepten zu (Apic. 4,4,2; 5,2,1-3).

Pflanzen, die als Gemüse und als Salat zubereitet wurden

Zu den Pflanzen, denen man mittleren Nährwert nachsagte, gehörte der Kohl, den Cato für das beste Gemüse erklärt, und er empfiehlt denen, die viel essen und trinken wollen, vor dem Mahl Kohl mit Essig zu verzehren. Im ersten Jahrhundert vor Christus sind schon 14 verschiedene Kohlarten in Rom bekannt. So sind auch entsprechend viele Zubereitungsarten, als Salat wie auch als Gemüse, überliefert. Grünkohl zum Beispiel wurde, nachdem er in Öl und Wasser eingeweicht worden war, oft in Salpeter gekocht, wovon er eine hellgrüne Färbung bekam. Der wichtigste Kohl war damals der Sproßkohl, von dem die Sprossen und die zarteren Stengelteile gegessen wurden.

Von den folgenden Pflanzen steht ebenfalls fest, daß sie sowohl als Salat als auch als Gemüse zubereitet wurden. Die Blätter der weißen Rüben wurden wie Kohl verarbeitet, die breiten Rippen wie Spargel. Die roten Rüben aß man roh, geröstet oder gekocht, genauso wie die Kohlrüben. Auch Rettich wurde roh und gekocht gegessen, roh meist mit Pfeffer und Salz, gekocht erhielt er einen rübenähnlichen Geschmack.

Von der Senfstaude verzehrte man die jungen Triebe roh, während die Blätter als Gemüse gekocht wurden. Auch Zichorie, Endivie und Spargel wurden als Gemüse und als Salat gegessen.

Daneben gab es natürlich auch Pflanzen, deren Zubereitung als Salat unbekannt war, die also als Gemüse im heutigen Sinne verzehrt wurden.

Pflanzen, die überwiegend als Gemüse gegessen wurden

Zu den als Gemüse zubereiteten Pflanzen gehörten die Malvengewächse, von denen es fast baumhohe Arten gab. Ihre Blätter wurden mit Weinbrühe, garum, Öl, Essig oder Rosinenwein gekocht. Ebenso aß man die Melde und die Strauchmelde sowie die Wildpflanzen Nessel und (Sauer-)Ampfer als Gemüse. Auch Gartenbohnen, Rauken, Artischocken und die jungen Triebe von Zwergpalmen wurden vor dem Genuß weichgekocht. Das gleiche geschah mit Mäusedorn und Holunder und dem heute als Futterpflanze geltenden Bockshornklee. Gerade die jungen Triebe dieser Pflanzen galten als blutreinigend. Bei feineren Gerichten wurden auch zu Mus verarbeitete Holunderbeeren als Gemüsebeilage gegessen.

Pflanzen, die überwiegend als Salat gegessen wurden.

Viele Pflanzen wurden überwiegend roh und kalt, nur mit Öl und Essig, Pfeffer und Salz gewürzt, verspeist, wie Lattich, Lauch, Zwiebeln, Knoblauch, Gurken, Kürbisse und Melonen. Solche Gerichte hießen acetaria. Andere Salatarten waren Kopfsalat, gelbgrüner Cappadoca, roter Cypria, Kresse und Blitum. Von den Kapernsträuchern bereitete man die jungen Sprossen als Salat zu, wohingegen die Blütenknospen und Samen als Gewürze verzehrt wurden.

Gewürzpflanzen

Auch die Gewürzpflanzen erfordern eine differenzierte Betrachtung, denn sie wurden einerseits als eigenständiges Gemüse oder Salat zubereitet, andererseits dienten sie aber auch ausschließlich zum Würzen. Ein großer Teil der Gewürzpflanzen wurde aus dem Ausland importiert, was zwar aufgrund der weitgehend unkomplizierten Lagerfähigkeit der Gewürze keine Transportprobleme aufwarf, da die zurückzulegenden Wege aber relativ lang waren, lagen vor allem die Preise der exotischen Gewürze entsprechend hoch. Aus diesem Grund entwickelte sich der Handel mit derartigen Würzkräutern zu einem wirtschaftlich sehr bedeutenden Geschäftszweig und führte in letzter Konsequenz zur Entdeckung neuer Wege nach Osten. Während man sich im alten Rom vorwiegend mit einheimischen Gewürzen wie Dill, Anis, Koriander, Feld- oder Kreuzkümmel, Thymian, Bohnenkraut, Liebstöckel, Oregano, Fenchel, Minze, Mohn, Knoblauch, Lauch, Wermut, Alant, Weinraute, Senf sowie Sesam begnügte, war die Gewürzvielfalt bis zur Kaiserzeit auf unvorstellbare Ausmaße gewachsen. Kein Fleisch, kein Fisch und keine Sauce wurde mehr ohne den Zusatz mehrerer Gewürze gegessen. So kamen später auch Petersilie, Majoran, Saturei, Thymbra, Polei, Kerbel, Zimt und schärfere orientalische Gewürze wie etwa Pfeffer, Ingwer, und Cardamom hinzu. Heute eher unbekannte und z.T. ausgestorbene, damals aber sehr wichtige Gewürzpflanzen waren Abrotanum, Amomum, Asafötida, Silphium, Ysop und Betel.

Auch wenn die Gewürze nicht zu den Haupt- oder Grundnahrungsmitteln zählten, so leisteten sie doch immer einen Beitrag dazu, den Geschmack der Speisen zu verbessern.

Beurteilung

Die ungeheure Vielzahl der vorgestellten Gemüse-, Salat- und Gewürzpflanzen zeigt, wie wichtig die pflanzliche Ernährung im täglichen Leben war. Marquardt beurteilt ihre Bedeutung in Rom treffend: "... [die Gemüse] lieferten theils dem Arbeiterstande seine schwer verdauliche Nahrung, theils der Küche der Reichen das Material der promulsis, theils die Würzen zu den übrigen Speisen. Aber die feineren Gemüse, die Salate und die Gewürzkräuter blieben immer ein Gegenstand der Liebhaberei der Feinschmecker und der Sorgfalt der Gärtner.".

Während also in einfacheren Haushalten vorwiegend Lattich, Radieschen, Kresse, Lauch, Zwiebeln, Knoblauch und Hülsenfrüchte für die Vorspeise hergenommen wurden, verwendete der feinere Haushalt eher die als leichter geltenden Gemüse wie Spargel, Artischocken, Zuckerwurzeln, Kürbisse, Salatpflanzen und von den Hülsenfrüchten nur die Linsen. Jedoch wurde beim Verzehr von derartigen Gemüsen immer die leichte Verdaulichkeit und nicht der Geschmack in den Vordergrund gestellt. Den Gewürzen wurde ein zum Teil übertriebener Einfluß auf die Gesundheit zugesprochen. Die finanzielle Oberschicht scheute erklärlicherweise auch keine Kosten und Mühen, um begehrtere Gemüse und Gewürze von weit her aus den verschiedensten Kolonien zu importieren.

Obst

Im Vergleich zu den pikant zubereiteten Gemüsen und Salaten spielte das Obst in der Vorspeise eine eher untergeordnete Rolle. Zwar war es durchaus nicht unüblich, Äpfel, Birnen, Pflaumen, Quitten, Weintrauben und Feigen bereits zur Vorspeise zu reichen, wesentlich häufiger findet sich Obst jedoch in den Nachtischen.

Pilze

Gelegentlich wurden zur Vorspeise auch Pilze serviert, von denen verschiedenste Arten und Zubereitungen bekannt waren. So aß man Steinpilze, Champignons, Kaiserschwämme - an denen Kaiser Claudius starb - und auch Trüffel, wobei diese bei weitem nicht den heutigen Beliebtheitsgrad innehatten.

Fische und Meeresfrüchte

An Meerestieren, ursprünglich Bestandteil des Nachtisches, wurden gebackene oder gekochte Schnecken, frische oder gekochte Austern, Muscheln, Seeigel oder gesalzene Fische in mulsum gereicht.

Fleisch

Als Zeichen einer feineren Küche galt es spätestens seit dem Ende der Republik, neben den bisher erwähnten Nahrungsmitteln auch warme leichte Fleischspeisen bereits in der Vorspeise anzubieten. Für festere Braten wie Wildschwein und Reh gibt es hingegen nur wenige Belege.

 

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