Die Vorspeise in der Cena Trimalchionis

Der erste Gang der Vorspeise in der Cena Trimalchionis

Bereits der Beginn der Vorspeise in der Cena Trimalchionis zeigt eindeutig, daß dieses Gastmahl in einem sehr wohlhabenden Hause stattfindet. Dies wird sowohl an der Art der Gerichte als auch an deren Präsentation deutlich: "... wurde jetzt eine sehr delikate Vorspeise aufgetragen ... Übrigens stand auf dem Hors d’oeuvres-Tablett eine Eselsstatuette aus korinthischer Bronze mit einem Quersack, der auf der einen Seite weiße, auf der anderen schwarze Oliven trug. Das flankierten zwei Schüsseln, auf deren Rändern der Name Trimalchios eingraviert war und das Silberkarat. Dazu trugen gelötete Stege Siebenschläfer mit einem Überguß von Honig und Mohn. Es gab auch heiße Würstchen über einem silbernen Grill, und unter dem Grill lagen syrische Pflaumen mit Granatkernobst." (Petr. 31,8 ff.).

Die Zusammenstellung und die Zutaten dieses Ganges mögen heute Befremden hervorrufen, jedoch muß man versuchen, sich für eine gerechte Würdigung in die frühe Kaiserzeit zurückzuversetzen.

Oliven

Dabei entsprechen schwarze und weiße Oliven (Petr. 31,9) durchaus noch unserem heutigen Vorspeisengeschmack. Eingemachte Oliven und würzig-aromatischen Zubereitungen daraus pflegten zumeist als Vorspeisen bei reicheren Familien genossen zu werden, wobei die Gourmets Oliven aus der Gegend von Picenum bevorzugten.

Entwicklung

Der Ölbaum stammte ursprünglich aus Syrien und Palästina, eine zweite Urform hatte ihre Heimat auf der Insel Kreta. Der kulturmäßige Anbau der Olivenpflanze geht in Kreta mindestens auf das Jahr 2500 v. Chr. zurück, in Syrien und Palästina, wo man schon früh mit der Veredelung begann, auf das vierte vorchristliche Jahrtausend.

Auch wenn der wilde Ölbaum, der nur eine geringe Ausbeute an Oliven bzw. Öl lieferte, in Griechenland, Italien und anderen Gebieten des Mittelmeers mindestens seit dieser Zeit bekannt war, breitete sich die Kenntnis und Wertschätzung des Olivenöls und die technischen Fertigkeiten für seine Gewinnung vom Vorderen Orient her aus. Die Anbaukultur der Olive erreichte Italien über Griechenland nicht vor dem 6. Jh. v. Chr., so daß es nicht verwundert, wenn der Geschichtsschreiber Fenestella berichtet, daß die Olive in Italien zur Zeit des Tarquinius Priscus nicht existierte.

Doch sobald Wissen von der Olivenkultivation nach Italien gelangt war, erkannte man ihren Nutzen, und die Römer begannen rasch, verschiedene Sorten und Güteklassen zu erzeugen. Im ersten Jahrhundert nach Christus wurden allein in Italien 22 verschiedene Arten von Oliven angebaut. Weil aber die Feinschmecker ausländische Oliven gegenüber den einheimischen vorzogen, wurden selbst zu dieser Zeit noch ansehnliche Mengen importiert. Dies geschah aber nur, um im großen Stil die verwöhnten Ansprüche der römischen Oberschicht zu befriedigen, nicht etwa, weil die römische Landwirtschaft nicht genügend leistungsfähig gewesen wäre.

Zubereitung

Zum Verzehr bestimmte Oliven konservierte man auf mehrere Arten, je nach Sorte. Das gängigste Verfahren war, sie in Tonkrügen aufzuheben, wobei man unter und auf die Oliven eine Lage Fenchel und Mastix gab und den Krug dann mit Most, Wein oder Salzlake auffüllte. Dabei war die beliebteste Konservierungsmethode diejenige, bei der der Tonkrug mit Meerwasser oder Salzlake und nicht etwa mit Wein oder Most gefüllt wurde; die so behandelten "olivae columbades" waren sehr geschätzt. Diese gewissermaßen in ihrem eigenen Öl eingemachten Oliven empfiehlt das Kochbuch des Apicius als Beilage zu gekochtem Huhn (Apic. 6,9,11).

Aus Oliven wurden überdies verschiedene Spezialitäten zubereitet, wie beispielsweise das sizilianische "epityrium". Diese von Cato erwähnte Delikatesse, eine Art Olivensalat oder Eingemachtes aus Oliven, war komponiert aus entsteinten, kleingehackten grünen, schwarzen und gesprenkelten Oliven, die dann mit Öl, Essig, Koriander, Kümmel, Fenchel, Raute und Minze vermengt wurden. Zum Essen füllte man diese Mischung in eine Steingutschüssel und übergoß sie vor dem Auftragen nochmals mit wenig Öl.

Eine weiterer bekannter und beliebter Leckerbissen war eine als sehr nahrhaft geltende und die wichtigsten Spurenelemente enthaltende Olivenpastete namens "sampsa".

Auf jeden Fall war die Olive selbst nahrungsökonomisch gesehen genauso bedeutsam wie das aus ihr gewonnene Öl.

Siebenschläfer

Wie die von den Gourmets geschätzten Oliven waren auch warm zubereitete Siebenschläfer (Petr. 31,10) ein Produkt der gehobenen Küche.

Entwicklung

Die Population der Siebenschläfer, auch Haselmäuse genannt, war während der Blütezeit Roms über ganz Europa sowie Südwestasien verbreitet. Jedoch wurden diese Kleintiere - wie auch die Wildkaninchen - bis zur Zeit der Römer keiner Domestikation für würdig befunden (Abb. 1). Zwar finden die "glires" (Petr. 31,10) schon in der Literatur der alten Griechen Erwähnung, doch scheinen diese keinen besonderen Geschmack an ihnen gefunden zu haben.

Anders hingegen die Römer: schon der Epiker Naevius (280 - 200 v. Chr.) erwähnte sie in einem Speisezettel. Das ist ein sicheres Indiz dafür, daß ihr kulinarisches Renommee angestiegen sein mußte, und so nimmt es nicht wunder, daß wohlhabende Römer die Konstruktion von gliraria, Aufzuchtgehegen, in Auftrag gaben, zumal da die Siebenschläfer in freier Wildbahn nur an gewissen Stellen vorkamen. So sicherte man den Nachschub dieser wohlschmeckenden Nagetiere, die keineswegs zum Verzehr gegen den Hunger, sondern als Gaumenkitzel gedacht waren.

In den seit der zweiten Hälfte des vorchristlichen Jahrhunderts gebräuchlichen Glirarien wurden die Haselmäuse in einer ihrem natürlichen Habitat entsprechenden Umgebung mit Eicheln, Bucheckern, Kastanien und Walnüssen bis zu einem gewissen Gewicht gemästet und dann, kurz vor dem Verzehr, in Dolien untergebracht (Abb. 2). Diese speziellen Steinguttöpfe, deren Erfindung man Fulvius Lupinus zuschreibt, dem Mann, der auch die Idee hatte, Wildschweine in Tiergehegen aufzuziehen, beschränkten die Tiere in ihrer Bewegungsmöglichkeit, so daß sie, zusätzlich gefördert von der Dunkelheit, sehr schnell Fett ansetzten. Der ideale Siebenschläfer war möglichst dick.

Auch das Verzehrverbot von Siebenschläfern in der lex Aemilia wegen angeblicher Unverdaulichkeit im Jahr 115 v. Chr. von Konsul M. Aemilius Scaurus konnte ihre Beliebtheit nicht schmälern. In der Kaiserzeit hielt man sich freilich noch viel weniger an solche Verbote.

Im Laufe der ersten nachchristlichen Jahrhunderte kamen die glires allerdings nach und nach aus der Mode, was daran erkennbar ist, daß das Edikt des Diokletian einen relativ niedrigen Preis von vier Denaren pro Stück für sie festsetzt. Auch in der Gegenwart werden Siebenschläfer gelegentlich verzehrt, wie beispielsweise in bestimmten Gebieten der Steiermark und Kärntens.

Zubereitung

Die Zubereitung der Haselmaus für die Tafel hat nicht selten exquisit-kunstvolle Formen angenommen, wie sie beispielsweise das Apicius-Kochbuch schildert. Es empfiehlt, eine Fülle aus einer Mischung von feingehacktem Schweine- und Haselmausfleisch, Pfeffer, Pinienkernen, Asafötida und garum herzustellen, damit den entbeinten Siebenschläfer zu füllen und ihn in ein kleines Öfchen zu schieben (Apic. 8,9).

Über die Zubereitungsart der glires in der Cena Trimalchionis spalten sich die Meinungen. Der Schriftsteller Jacques André etwa ist der Auffassung, daß die Haselmäuse im Ofen gebraten und dann mit Honig bestrichen und mit Mohn bestreut wurden. Die andere Ansicht, die von Steier vertreten wird, besagt, daß die glires in einer Art Mohnkuchen gebacken und dann aufgetragen wurden.

Würstchen

Als weitere warme Speise sind "tomacula" (Petr. 31,11), heiße Würstchen, auf dem promulsidare angerichtet.

Entwicklung

Schon bei den Griechen waren Würste beliebt. Bereits in homerischer Zeit briet man Magenwürste, mit Fett und Blut gefüllt, eine Rezeptur, die lange sehr beliebt war.

In Rom war der allgemeine Ausdruck für Würste farcimen. Sie wurden ähnlich den unserigen bereitet, jedoch kamen nach dem Geschmack der Römer noch allerlei würzige Zutaten hinzu. Sie wurden von allen Klassen der Gesellschaft gerne gegessen. Je nach Art ihrer Zubereitung und ihrer Form unterschied man verschiedene Sorten. Im Diokletiansedikt fällt auf, daß generell Rinderbratwürste von Schweinsbratwürsten unterschieden werden, wobei die aus Rindfleisch billiger, qualitativ minderwertiger und folglich von den Feinschmeckern auch weniger geschätzt waren.

Zubereitung

Bei den in der Cena Trimalchionis erwähnten tomacula handelt es sich um eine Art Brat- oder Rostwürste aus Schweinefleisch, die auf dem Rost gebraten heiß gegessen wurden. Von ihnen werden nach Petron die "botuli" (Petr. 49,10) unterschieden. Botulus ist einerseits ein vulgärer Ausdruck für farcimen, also Wurst im allgemeinen, er bezeichnet andererseits aber auch eine bestimmte Wurstsorte. Diese Unterscheidung zwischen den botuli und den tomacula ist ein sicheres Indiz dafür, daß Petron auch wirklich die Wurstart botulus meint und er hier nicht den Vulgärausdruck für Würste verwendet. Bei den botuli handelt es sich um Blutwürste, deren Verzehr den Christen und den Juden aus Glaubensgründen verboten war. Doch sind botuli und tomacula, die von Garköchen auf der Straße heiß verkauft wurden, bei weitem nicht die einzigen Wurstarten, die die römische Kochkunst hervorzubringen wußte.

Die mit Abstand am beliebtesten Würste waren die "lucanicae" (Apic. 2,4), die ihren Namen nach ihrer Herkunft aus der Gegend südlich von Neapel erhalten hatten. Lucanicae waren dicke Schweinswürste, von den Bauern gern zum puls gegessen. Dem feineren Geschmack allerdings sagten sie weniger zu. Das Rezept zu ihrer Zubereitung wurde von den Soldaten zur Zeit Catos nach Rom gebracht. Kein anderes Rezept hat bis heute weltweit so viel Verbreitung gefunden wie das dieser Würstchen. Sie werden ähnlich der römischen Herstellungsweise noch heute zubereitet, beispielsweise in Palästina und in Brasilien, wo sie linguica heißen.

Weitere römische Wurstspezialitäten waren die "botelli" (Apic. 2,3), die nicht einfach kleinere botuli waren, und deren Rezept Apicius in seinem Kochbuch angibt, sowie "funduli", dicke, kurze Würste, die an einer Seite offen waren; außerdem "longaones", lange Würstchen, die "circelli" (Apic. 2,5,4), nach ihrer runden Form benannt, farcimina, farcicula, hillae, apexabones, allesamt kleine oder lange Würstchen, von denen sich schwerlich die Form und Zubereitung genauer beschreiben läßt.

Als gleichberechtigten Bestandteil dieses Ganges muß man auch das angebotene Obst betrachten.

Syrische Pflaumen

Entwicklung

Das alleinige Indigenat der Pflaume (Petr. 31,11) für den Vorderen Orient, und zwar genauer für das sich von Mittelasien bis zum Schwarzen Meer und nach Syrien erstreckende Gebiet festzulegen, ist sehr gewagt. Zwar kommen in diesem Gebiet Wildformen der Krieche und der Zwetsche vor, so daß die Vermutung naheliegt, ihren Ursprung dort anzusiedeln. Es gibt aber durchaus Indizien, aufgrund derer die Ausbreitung des Heimatgebiets bis Süd- und sogar bis Mitteleuropa anzunehmen ist, wie zum Beispiel der Fund von Steinen dieser Früchte in neolithischen Siedlungen der Schweiz, Österreichs und Italiens zeigt. Gegner der Theorie der ursprünglichen Verbreitung über Süd- und Mitteleuropa behaupten, daß es sich lediglich um große Schlehenkerne handelt. Bei allen diesen Funden geht es wohl nur um wildwachsende Pflaumen, auf eine Kultur der Pflaume in der Steinzeit zu schließen, wäre sicherlich nicht berechtigt.

Unsicher ist ferner, ob die Kultivation der Pflaume in Rom aus anderen Regionen übernommen wurde, oder ob man die wild vorkommenden Pflaumenarten durch Veredeln verbesserte. Fest steht jedoch, daß als Stammformen der von den Griechen und Römern angebauten Pflaumenarten die Krieche und die Zwetsche in Betracht kommen. Zwar war den Griechen die Pflaume nicht unbekannt, dennoch ist es möglich und sogar wahrscheinlich, daß die Pflaumenkultur nicht von Griechenland nach Rom gelangt war, da die Qualität der griechischen Pflaumen sehr gering war und sie aufgrund des ungünstigen Klimas dort auch nicht oft angepflanzt wurden.

Die Pflaumenkultur, die in Italien erst nach dem 3.Jh. v. Chr. einsetzte, erreichte vom Beginn der Kaiserzeit an eine hohe Blüte. Fast ein Dutzend Sorten hatten die italischen Obstbauern damals bereits gezüchtet, ganz der großen Veredelungsleidenschaft der römischen Obstbauexperten entsprechend. Diesem hohen Stand der Kultivation gemäß sind auch die überlieferten Anweisungen für Vermehrung, Pflege und Veredelung sehr ausführlich. Doch trotz aller Anstrengungen gelang es den römischen Obstbauern nicht, die qualitativ hochwertigsten Pflaumen zu züchten. So hatten die italischen Pflaumen der Kaiserzeit einen größeren Steinkern und weniger Fruchtfleisch als die syrischen, zudem bekamen die italischen Pflaumen beim Dörren keine Runzeln, was auf einen geringen Saftgehalt schließen läßt.

Zubereitung

Jede Art von Obst wurde zur Reifezeit gern frisch und roh gegessen - es sind nur sehr wenige Rezepte für gekochte Obstspeisen bekannt -, doch gehörte es in eingelegter Form zu den unerläßlichen Vitaminlieferanten für den Winter. Um Pflaumen zu konservieren, legte man sie in Honig (Apic. 1,20), Weinessig, aber auch in sapa oder defrutum ein, oder man trocknete sie.

Als die besten galten die Damaszenerpflaumen (Petr. 31,11), die ihrer Größe und ihres Wohlgeschmackes wegen sehr geschätzt waren. Da sie sich zudem besonders gut zum Trocknen eigneten, wurden gedörrte Pflaumen, denen man abführende Wirkung nachsagte, auch wenn sie nicht aus Damaskus bzw. Syrien stammten, pruna damascena genannt. Echte damaszenische Dörrpflaumen kosten im Diokletiansedikt zehn Denare für acht Stück. Diese importierten Früchte sind vermutlich auch bei Petron gemeint, zumal es Zeichen eines gewissen Luxus war, Obst aus den Kolonien einzuführen. Die Damaszenerpflaume ist auch die einzige Pflaumenart, die im Apiciuskochbuch erwähnt wird, und stellt in der immer gleichen Formulierung "pruna damascena enucleata" eine Zutat für diverse Saucen dar (z.B. Apic. 6,2,2).

Granatäpfel

Ebenso wie die pruna damascena mit ihrer purgierenden Wirkung stellten die Granatäpfel (Petr. 31,11), denen man harntreibenden und appetitanregenden Einfluß nachsagte, ein Nahrungsmittel dar, mit dem man hoffte, den Körper zu erleichtern und ihn auf die folgenden Schlemmereien vorzubereiten.

Entwicklung

Die Römer bezeichneten den Granatapfel als malum punicum, punischen Apfel, womit sie ihn fälschlicherweise in die Unterfamilie der Pomoiden einordneten. Der Name erlaubt weiterhin Rückschlüsse darauf, wie die Granate nach Rom gelangte. Wenn auch ihre Ursprungsheimat im Vorderen Orient - in den Regionen Kleinasiens, dem Kaukasus, Armenien und Persien - zu suchen sein dürfte, zeigt "punici mali" (Petr. 31,11) doch, daß der Granatapfel auf dem Weg über Karthago nach Italien gelangte.

Während nur eine bittere und eine süße Sorte ihren Weg nach Rom fanden, geht man heute davon aus, daß in der Zeit des ersten Jahrhunderts nach Christus neun verschiedene Sorten von Granatäpfeln existierten, die nach ihrer Säure eingeteilt wurden. Die großen Ziele der Züchtung waren, die Granate süßer zu machen und kernlose hervorzubringen, wobei nun einige Wissenschaftler so weit gehen, den Römern bei der Kultur der Obstbäume bereits eine - wenn auch unbewußte - Anwendung der Mendelschen Gesetze zu unterstellen, da sie nicht nur mittels Bewässerung und Züchtung, sondern auch durch Veredelung in Form von Pfropfen und Okulieren eine Ertragssteigerung zu erreichen suchten. So gelangte man auch zu der Sorte mit dem Namen apyrenum, die angeblich kernlos sein sollte, in Wirklichkeit jedoch nur ein Granatapfel mit weichen Kernen war.

Nachdem der Baum einmal eingeführt war, setzte er sich aufgrund seiner klimatischen Unempfindlichkeit schnell durch und fand schon bald als ganz normales Obstgartengewächs Anerkennung. In Italien hat er wahrscheinlich nicht zu den allerersten kultivierten Obstfrüchten gehört, doch ist bereits für das 3. Jh. v. Chr. seine Existenz in Rom verbindlich nachgewiesen.

Wie auch in seinen Herkunftsländern genoß das Granatkernobst in Rom große Wertschätzung. Das ist einerseits an der Genauigkeit und Ausführlichkeit der überlieferten Vorschriften über Zucht, Behandlung und Konservierung zu erkennen, aber auch daran, daß der Granatapfel als Straßenname auftauchte. So existierte im frühimperialen Rom im VI. Stadtbezirk eine Lokalitätsbezeichnung ad malum punicum. In einem Haus an dieser Granatapfelstraße erblickte der spätere Kaiser Domitian das Licht der Welt.

Zubereitung

Über die Verwendung der Granate als Nahrungs- bzw. Genußmittel liegen nicht viele Nachrichten vor, was wohl seinen Grund darin hat, daß ihr Gebrauch als selbstverständlich galt und keiner weiteren Erörterung bedurfte. War sie doch bei den Griechen wie bei den Römern ein sehr beliebtes und geschätztes Obst, das auch auf den Tafeln der Reichen erschien und überdies noch eine Rolle als Heilmittel innehatte. Obwohl die Granatäpfel auch in der näheren Umgebung Roms angebaut wurden, waren diejenigen die beliebtesten, die man aus Nordafrika, circa Carthaginem, einführte. Als weitere Gegenden, aus denen besonders geschätzte Granatäpfel kamen, galten der Mysische Olymp und der Tmolos, wo auch heute noch die besten Granaten geerntet werden. Die Granate war allgemein als wohlschmeckend und bekömmlich angesehen, wenn auch einige Früchte, wie etwa die apyrena, blähend wirkten.

Auch beim Granatapfel herrscht keine Einigkeit darüber, in welcher Form er in der Cena Trimalchionis auf den Tisch kam. "... cum granis punici mali" (Petr. 31,11) interpretiert Carcopino als Granatapfelkerne, K. Müller und W. Ehlers übersetzen es lapidar als Granatkernobst und Friedlaender vermutet, daß die Granatäpfel in Scheiben geschnitten aufgetragen wurden.

Heute kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, daß Friedlaender mit seiner Ansicht unrecht hat, da er sich in seinen Ausführungen auf Martial bezieht, der die Granatäpfel mit Rosen vergleicht, dabei aber wohl mehr die Farbe als die Form meint.

Für Carcopinos Theorie spricht, daß es durchaus zum Usus gehörte, Granatapfelkerne in der Sonne zu dörren und dann getrocknet oder geröstet als Imbiß zu verzehren. Diese Theorie halte ich für wahrscheinlicher als die von Müller und Ehlers, da Petron, wenn er wirklich nur Granatkernobst gemeint hätte, auf jeden Fall einen Zusatz über dessen Herkunft eingefügt hätte, um Trimalchio in seiner Protzerei zu entlarven.

Die Konservierungsmethoden, deren vollständige Aufzählung jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, waren durchaus vielfältig. Eine Methode, die Apicius vorschlägt (Apic. 1,18), besteht darin, daß man die Früchte kurz in heißes Meer- oder Salzwasser taucht, bis sie die Farbe verlieren, und so die Fruchthaut härtet. Danach legt man sie drei Tage in die Sonne und hängt sie dann an einem trockenen Ort auf. Vor dem Gebrauch werden die Früchte in kaltes Wasser gelegt und so wieder erweicht. Eine derartige Behandlung machte die Granate lange haltbar, die gewöhnlichste Konservierungsmethode war jedoch die Aufbewahrung in geschlossenen Krügen unter der Erde.

Der zweite Gang der Vorspeise in der Cena Trimalchionis

Nach diesem ersten Gang der Vorspeise wendet sich nun die Aufmerksamkeit der Tischgesellschaft einem ungleich aufwendigeren Gericht zu: "... wurde ... ein Tablett mit einem Korb hereingetragen, in dem eine Henne aus Holz mit kreisförmig ausgebreiteten Flügeln saß, wie man sie beim Brüten sehen kann. Umgehend traten zwei Sklaven herzu, begannen unter einem Tusch des Orchesters das Stroh zu durchwühlen, brachten in einemfort Pfaueneier zum Vorschein und verteilten sie an die Gäste ... und so schlagen wir die in Krapfenteig herausgebackenen Eier auf ... und [ich] fand eine kugelrunde Grasmücke in einer Hülle von gepfeffertem Dotter." (Petr. 33,3 ff.).

Grasmücke in gepfefferter Eidotterhülle, in Krapfenteig pfaueneiförmig herausgebacken

Eier

Die für die römische Vorspeise unentbehrlichen und als eines der wenigen wirklich typischen Vorspeisengerichte geltenden Eier finden auch bei Petron Erwähnung. Jedoch handelt es sich hier nicht um Pfaueneier, wie die Gäste zuerst vermuten, sondern lediglich um "... ova ex farina pingui figurata ..." (Petr. 33,6). Darunter hat man sich, wie die Autoren in seltener Einmütigkeit berichten, ein dem heutigen Schmalzgebackenen oder Krapfen entsprechendes Gebäck in der länglichen Form von Pfaueneiern vorzustellen, in das die "... pinguissimam ficedulam ... piperato vitello circumdatam" (Petr. 33,8) eingebacken worden ist.

Nicht unbeabsichtigt wird der Teig, mit dem die Grasmücken umhüllt sind, wie ein Pfauenei geformt, denn der Pfau hatte sich, nachdem er - seit 200 v. Chr. bekannt - ab 70 v. Chr. gemästet wurde, sehr schnell zum Modetier entwickelt, so daß der Preis für ein einziges Ei um die Jahrtausendwende bei fünf Denaren lag. Der Pfau und seine Eier bildeten gewissermaßen eines der Hauptstücke des römischen Tafelluxus.

Vom eigentlichen Ei wird hier nur der Dotter verwendet. Es dürfte sich dabei aber nicht um Pfaueneidotter handeln, denn die Eier von Modevögeln wurden meist als eigenständiges Gericht serviert. Bei der Zubereitung von sehr vielen Speisen hingegen, deren vollständige Aufzählung hier nicht möglich ist, benutzte man in Rom vorwiegend Hühner- und Gänseeier, vor allem benötigte man sie, um Saucen zu binden. Wenn es sich um Gemüse, Fisch, Meeresfrüchte oder Fleisch handelte, gebrauchte man häufig nur die Dotter.

Grasmücke

Die Grasmücke mit Eidotter zu umgeben, stellt also keine Besonderheit dar. Bei diesem Vogel, der in römischer Zeit übrigens fälschlicherweise für eine Meisenart gehalten wurde, handelt es sich um die auch Feigendrossel genannte Mönchsgrasmücke. Sie war um so begehrter, je fetter sie war. Ab dem 1. Jh. v. Chr. gelang es den Römern, die Mönchsgrasmücke, ebenso wie die meisten anderen Vogelarten, in Volieren zu züchten. Mit der Aufzucht der Feigendrossel in Gefangenschaft gab es keine wie auch immer gearteten Probleme, so daß die Versorgung der römischen Oberschicht mit diesem Nahrungsmittel gewährleistet war.

Die ficedula, die Feigendrossel, war einer der wenigen Vögel, dessen Fleisch im alten Rom vollständig gegessen wurde, wohingegen man bei anderen Vögeln nur Brust- oder Bauchteile bevorzugte. Diese schlanken, bläulichgrauen, 13-18 cm großen Vögelchen galten bei den Banketten als ein Zeichen von Luxus und waren in jeder Epoche beliebt. Der Preis liegt im Diokletiansedikt bei vier Denaren pro Stück. Auch bei Apicius sind sie Bestandteil zweier komplizierter Gerichte (Apic. 4,2,5; 8,7,14).

Zusammenfassung der Vorspeise in der Cena Trimalchionis

Einig ist man sich unter den Wissenschaftlern noch, daß Trimalchio sehr viel Wert auf die Präsentation der bei ihm aufgetragenen Gerichte legt. Dabei neigt er stark zu Übertreibung und Protzerei nicht nur in der Präsentation, sondern auch in der Ausformung der an sich typischen Gerichte.

Auf dem Serviertablett werden nämlich nicht, wie allgemein üblich, die kleinen Gerichte der Vorspeise aufgetragen, vielmehr ist der Gastgeber bemüht um ausgefallene Ideen, die sowohl seine Phantasie als auch seinen immensen Reichtum erkennen lassen sollen. Dazu gehören die Eselsstatuette aus korinthischer Bronze, die Schüsseln aus Silber, in deren Rand zum Beweis ihrer Echtheit sichtbar Karatstempel und Trimalchios Name eingraviert sind und der silberne Grill (Petr. 31,9 ff.) ebenso wie die hölzerne Henne, die überschweren Eierlöffel und das aufwendige Servieren im zweiten Gang (Petr. 33,3 ff.).

Es macht eine besondere Eigenheit von Petrons satirischer Darstellungsweise aus, daß er diese Angebereien Trimalchios nur subtil anklingen läßt, so daß sie dem oberflächlichen Leser gar nicht auffallen.

Carcopino schreibt: "... bei Trimalchios Festschmaus ..., diesem "lächerlichen Mahl", dessen Lächerlichkeit aber nicht in der Überfülle der Speisen besteht, ... sondern in der übertriebenen Aufmachung, den verrückten Einfällen ... auf die sich der Hausherr so viel zu Gute tut.".

Die in den ersten beiden Gängen aufgetragenen Gerichte selbst sind also ohne Ausnahme durchaus üblich in einem Kreis, der zumindest finanziell der Oberschicht Roms in der frühen Kaiserzeit angehörte. Bemerkenswert ist hier das völlige Fehlen jeglicher Gemüsesorten.

Uneinigkeit herrscht jedoch unter den Autoren darüber, wie die einzelnen Speisen in den Gesamtzusammenhang der cena einzuordnen sind. Carcopino interpretiert den ersten Gang, der die Oliven, die Siebenschläfer, die gegrillten Würstchen und die Pflaumen mit den Granatäpfeln umfaßt, als Hors d’oeuvre. In diesem Zusammenhang sieht er die "... ficedulam ... piperato vitello circumdatam" (Petr. 33,8) als ersten Gang der Vorspeise und das im folgenden dargestellte Gericht als zweiten Vorspeisengang an. Ganz anders steht die Realencyclopädie dazu. Nach ihr wurden bisher zwei Vorspeisengerichte aufgetragen und das Hauptgericht der cena beginnt schon jetzt.

Für Carcopinos Ansicht spricht beispielsweise, daß es üblich war, im Hauptgericht der cena Braten auftischen zu lassen, der im nächsten Gang aber fehlt. Die andere These läßt sich dadurch unterstützen, daß eigentlich während der gesamten Vorspeise nur mulsum getrunken wurde. Da aber noch vor dem Auftragen des nun folgenden Ganges begonnen wird, Wein zu trinken (Petr. 34,6), kann man ihn auch zum Hauptgericht zählen.

Doch beide Auffassungen lassen sich auch schlüssig widerlegen. So ist es möglich, daß man zu Wein statt mulsum überging, weil man nicht mehr nüchtern war und deshalb Höherprozentiges vertragen konnte. Gegen Carcopino spricht, daß zu viele individuell verschiedene und von unserem Standpunkt aus nicht mehr klärbare Faktoren in die jeweilige Gestaltung einer cena einflossen, angefangen bei der finanziellen Ausgangssituation über die Standeszugehörigkeit bis hin zu dem Zweck, den der Gastgeber mit seiner cena verfolgte, so daß sich am Fehlen einer Speise kein Gang eindeutig charakterisieren läßt - auch bei den bisher servierten Gängen fehlt das Gemüse und trotzdem sind es Vorspeisen.

Doch in welchen Teil des Essens man den nächsten Gang auch einordnet, er stellt eine Besonderheit dar. Als Synthese beider Thesen bezeichne ich ihn als Zwischengericht.

 

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