5.3.5. Ehe und Familie

Der Abschnitt leitet strukturell die zweite Hälfte der Elegie ein, ist inhaltlich aber eng mit der ersten verknüpft. Die sorgfältige sprachliche Gestaltung zeigt, wie wichtig Ovid dieser Teil ist, so daß sich genaue Betrachtung lohnt. Außerdem eröffnet sich ein einmaliger Einblick in das Privatleben des Dichters.
Ovid zieht energisch einen Trennungsstrich[1] zwischen "Dichtung" und "Wahrheit", der literarischen Haltung des Liebeselegikers[2] und der realen des Privatmanns und Familienvaters. Damit greift er die Dichotomie des Beginns qui fuerim - tenerorum lusor amorum auf und weitet die Thematik[3] aus.
Nachdrücklich[4] und ungewöhnlich ausführlich[5] stellt Ovid drei Verse lang seine Disposition für die Liebeselegie dar: Mit mollis und ignis charakterisiert er sich wieder durch das elegische Genos bezeichnende literarkritische Termini. Dazu paßt die als levis apostrophierte Motivation. Die tela Cupidinea rekurrieren auf die Inspiration in am. 1,1,21-26, der programmatischen ersten Elegie in Ovids Werk, durch Amor und seinen Pfeil. Antithetisch betont Ovid, daß es keine üblen Gerüchte über ihn gab. Das belegen als Gegenbild zur poetischen Existenz die drei Ehen[6], in denen sich zwar bisweilen die Ehefrauen etwas zuschulden kommen ließen, keinesfalls aber er selbst. Die Erwähnung der Tochter rundet das Bild ungetrübten Glücks in der privaten Idylle ab, ehe das jähe Verhängnis der Verbannung einbricht (sustinuit coniunx exulis esse viri).
Diese Emphase schlägt sich auch in der Lautgestalt nieder, finden sich doch in der gesamten Elegie nirgends so gehäuft alliterierende Wortfolgen:

In 68 stehen sich, von der Penthemimeres getrennt, Ovids Name und das Gerücht gegenüber, das n des grammatikalisch zu fabula gehörigen nulla unterstreicht die inhaltliche Beziehung zu Ovid und damit den untadeligen Lebenswandel. Eine ähnliche Spannung besteht in 69 zwischen Ovids jugendlichem, also unschuldigem Alter (am Anfang) und der unnützen[7] Ehefrau (nach der Zäsur). Der über die Distichongrenze hinweg reichende inhaltliche Parallelismus beider Angaben kontrastiert mit der gleichartigen Syntax der zwei folgenden Distichen (jeweils Enjambement und Nebensatz im Hexameter). Auch in 71/72 stellt die Alliteration eine Sinnbeziehung her: Die zweite Ehefrau wird durch s- und c-Laute eingeführt, die überraschende Information, daß die Ehe dennoch nicht von Dauer war, durch f gegenübergestellt. Der Abschnitt klingt durch die Erwähnung der Verbannung mit doppeltem e-Anklang aus.
Wie sorgfältig Ovid die Passage behandelt, wird im Detail sichtbar: Die erste Ehefrau ist nur uxor[8], die Beziehung zu ihr charakterisieren unpersönliche Passivwendungen[9] (est data, nupta fuit). Die nächste ist zwar schon coniunx, was das engere Verhältnis (con-iungere) verdeutlicht, die Gemeinsamkeit beschränkt sich aber auf das Ehebett (in nostro toro). Erst die dritte findet zu Ovids Innerem Zugang (mecum), so daß eine tragfähige Verbindung[10] entsteht.
Trotz der scheinbar so exakten Angaben bleiben auch hier Fragen offen, was das folgende Distichon beweist:
Mehr als auf die Antwort darauf, mit wem die Tochter (und auch: wie oft) verheiratet war, konzentriert sich Ovid auf das Spiel mit Zahlen[12] (bis - prima - non uno) und polyptotonartigen Wendungen (me - mea, fecunda - fecit). Wer nüchterne Auskunft erwartet, wird wieder enttäuscht sein, denn primär geht es um die Darstellung der inneren Haltung, nicht der Äußerlichkeiten.


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