5.3.3. Versuch, politische Karriere zu machen (27-40)

Die folgenden Abschnitte müßen schneller behandelt werden (5.2.). Im Vordergrund stehen zunächst 1. der übliche Weg eines jungen Römers der Oberschicht und 2. die Hindernisse, die Ovid dabei begegnen.
Ovid berichtet anfangs, wie beide Brüder das Erwachsenenalter erreichten, was das Anlegen der toga virilis am 17. März, den Liberalia (> toga liberior), im Alter von ca. 17 Jahren symbolisiert[1]. Der latus clavus dokumentiert die Vorbereitung auf die Politik, wozu sich Ovid nun offenbar durchgerungen hat. Doch der zweite Teil des Distichons bringt mit einem unspektakulären cum-Satz, der organische Fortsetzung verheißt, eine jähe Wendung[2]: Im Alter von zwanzig Jahren stirbt derjenige der beiden, der die Politik zum Lebensinhalt machen wollte. Ovid beschreibt sein Gefühl in dem so kurzen wie berührenden[3] et coepi parte carere mei. Trotz des Verlusts bemüht er sich weiter, ja er versucht, auch die Aufgaben des Bruders zu übernehmen, wie der Plural[4] cepimus (der erste auf Ovid allein bezogene) zeigt, und beginnt den cursus honorum (primos honores). Exemplarisch nennt er das niedere Amt der tresviri (capitales)[5]. Er gab sich also redlich Mühe[6] und hätte nun die Quaestur ausüben müssen, um in den Senat zu gelangen. Da das Mindestalter dafür seit Sulla 31 Jahre war, fiel die Entscheidung für die Dichtung wohl Mitte Zwanzig.
curia restabat: der Tagungsort des Senats blieb übrig, d.h. Ovid gelangte nicht in dieses Gremium, sondern floh den politischen Ehrgeiz. Schon Sallust spricht von ambitio mala (Cat. 4,2) und auch die Verbindung von ambitio ("Umhergehen zur Wählerwerbung") zu ambitus ("Wahlbetrug") liegt nahe. Als weitere Begründung greift Ovid das geflügelte Wort[7] honos est onus auf (honores 33 - illud onus 36): Weder Geist noch Körper sind einer politische Karriere gewachsen. Der Chiasmus patiens corpus - mens apta rückt die gegensätzlichen Begriffe unmittelbar zusammen und formt sie zu einer neuen Einheit. Umso lieber fügt sich Ovid dem Rat der Musen, tuta otia (das Gegenteil des politischen neg-otium) zu erstreben, wozu ihn das eigene Urteil (iudicio meo) schon immer gezogen hatte. Damit ist seine öffentliche Laufbahn beendet[8], der Weg zur Dichtung steht offen, von Einwänden des Vaters ist keine Rede mehr. Auch die zuvor unentschieden belassene Frage ist nun beantwortet.

Tafelbild 4


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