Vorbemerkungen[1]

Mit Vergnügen lese ich
Wie Horaz die Entstehung der Saturnischen Verskunst
Zurückführt auf die bäurischen Schwänke
Welche die größten Häuser nicht schonten, bis
Die Polizei boshafte Lieder verbot, wodurch
Die Schmähenden gezwungen wurden
Edlere Kunst zu entwickeln und mit
Feineren Versen zu schmähen. So wenigstens
Verstehe ich diese Stelle.

Bertolt Brecht[2]

Betrachtet man derzeit die Bemühungen um Ovid, so ist die spannendste Entwicklung bei der Bewertung der Exildichtung zu erkennen, ein Paradigmenwechsel der Forschung, die endlich Ovids "edle Kunst" und "feine Verse" entdeckt. Dennoch ist Ovid-Lektüre in der Schule bis heute weitgehend Metamorphosen-Lektüre - mit gutem Grund, auch abgesehen von den Lehrplanvorgaben: Fraglos sind die Metamorphosen[3] eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur, in ihrem Gehalt sind sie kaum auszuschöpfen und doch großenteils für Schüler erfaßbar. Bevor man in die Sagenwelt von Ovids Epos einführt, muß man Autor und Werk ausführlich vorstellen. Meist geschieht das durch den Vorspann der jeweiligen Schulausgabe, ein Arbeitsblatt o.ä., hier aber besteht der literarhistorische Glücksfall, daß Ovid in trist. 4,10 selbst der posteritas sich und sein Schaffen präsentiert. Deshalb soll hier untersucht werden, ob sich die Elegie zur Einleitung[4] in Ovid als Schullektüre eignet und sich eine Alternative zur weitgehenden Beschränkung[5] auf die Metamorphosen ergibt, zumal der bayerische Lehrplan[6] für "Latein als zweite Fremdsprache in der zehnten Klasse" auch Ovids elegische Dichtung umfaßt.


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