Tischsitten

Die Ernährungsgewohnheiten in Rom hatten sich in den letzten drei vorchristlichen Jahrhunderten nachhaltig verändert. Griechische Sitten gewannen zunehmend an Einfluß. Mit ansteigendem Wohlstand wurde mehr Wert auf ausgedehntere Mahlzeiten gelegt, in der Folge entwickelte sich die Kochkunst. Auch die Präsentation des Mahles wurde immer aufwendiger, ein Koch hatte höchstes Ansehen, wenn es ihm gelang, ein Gericht zu bereiten, bei dem man weder aus Form noch Geschmack die Zutaten identifizieren konnte (Petr. 70,2). Nicht nur das Essen stand im Vordergrund, sondern ebenso das Gespräch und sonstige Unterhaltungen - heute würde man es als Erlebnisgastronomie bezeichnen.

Die sich entwickelnde neue Zeiteinteilung der Mahlzeiten war natürlich eng verbunden mit einer Änderung der Abläufe der städtischen Geschäfte. So gewöhnte man sich daran, seine Besorgungen bis zum frühen Nachmittag erledigt zu haben.

In fast allen Bereichen des römischen Alltagslebens kann man zu dieser Zeit griechische Impulse erkennen. Die Körperpflege gewann an Bedeutung, so daß parallel zur Eßkultur auch die Badekultur entstand. Jeder auch nur halbwegs gutgestellte römische Bürger besuchte um die Mittagszeit eine öffentliche Badeanstalt.

Kleidung bei der cena

Nach dem Bad, das jeder cena vorausging (Petr. 26,10), legte man nicht mehr seine seriöse Toga an, sondern kleidete sich statt dessen mit der synthesis oder der vestis cenatoria, einem bequemen Gewand aus grünem oder lila Kattaun oder aus Seide. Damit war man für ein Gastmahl adäquat gekleidet, denn eine steife, würdevolle Kleidung paßte nicht zu dem entspannten Rahmen eines Mahls. Aus dem gleichen Grund erschien man nicht in Schuhen, sondern in Sandalen.

Speisesaal

Eintritt

Die cena wurde im triclinium, dem Speisesaal eingenommen. Im alten Rom galt es - besonders in abergläubischen Kreisen - als unglückbringendes Zeichen, wenn man diesen Raum mit dem linken Fuß zuerst betrat. Entsprechend deutlich fällt auch die Aufforderung des im Hause Trimalchios mit der Überwachung dieser Sitte beauftragten Dieners an die Gäste aus: "... exclamavit unus ex pueris, qui supra hoc officium erat positus: ‘dextro pede’. Sine dubio paulisper trepidavimus, ne contra praeceptum aliquis nostrum limen transiret." (Petr. 30,6).

Speisezimmer

Anfänglich speisten die Römer im atrium, was in vielen ärmeren Familien und auf dem Land auch später beibehalten wurde. Im Laufe der Zeit ging man dazu über, das Speisezimmer von der Straßenseite weg ins Innere des Hauses zu verlegen, dabei wurden die neben dem tabulinum gelegenen Räume zum Eßzimmer, die den Namen cenaculum oder "cenatio" (Petr. 77,4) erhielten. Ab 149 v. Chr. bürgerte sich, nachdem man die griechische Sitte, bei Tisch zu liegen, übernommen hatte, als Bezeichnung für diese Räume auch der griechische Begriff triclinium ein.

Die Größe sowie die Ausgestaltung dieses Raumes hing von den finanziellen Verhältnissen des Besitzers ab. In normalen Familien war das triclinium kaum mehr als drei bis vier Meter breit und auch nicht wesentlich länger, was natürlich bedeutete, daß eine cena unter räumlich sehr beengten Verhältnissen stattfand. In den Häusern der Oberschicht hingegen war das triclinium der Raum, in dem man den Gästen seinen Reichtum präsentieren konnte. Dazu gehörten neben aufwendigen Bodenmosaiken auch eine ausgefallene Dekoration: "... an den Pfosten des Speisesaals waren Rutenbündel mit Beilen angebracht, die unten eine Art bronzener Schiffsschnabel abschloß, ... [eine Tafel stellte] die Bahn des Mondes und die sieben Planetenbilder dar ..." (Petr. 30,1 ff.). Denselben Zweck verfolgte man auch, wenn man, wie Fortunata, dort besondere Schaustücke ausstellte (Petr. 73,5).

Auch begnügte man sich in jenen Kreisen nicht mehr mit nur einem Speisesaal, ein vornehmes Haus verfügte über mehrere Speisesäle, die für den Gebrauch in verschiedenen Jahreszeiten ausgerichtet waren. So lagen diejenigen, die für den Frühling oder den Herbst gedacht waren, nach Osten, die für Sommer und Winter nach Norden bzw. Westen. Trimalchio besitzt in seinem Haus vier Speisezimmer, die entsprechend angelegt gewesen sein dürften (Petr. 77,4). Die enorme Größe seines Hauses wird erst bewußt, wenn man bedenkt, daß die Speisesäle reicher Familien in der Kaiserzeit im Schnitt mindestens sieben Meter breit und neun Meter lang waren.

Speisesofa

Doch das lateinische Wort triclinium bezeichnete nicht nur den Speisesaal, sondern auch eine bestimmte Anordnung von lecti triclinares, auf die sich die Römer zum Speisen niederließen.

Der wohl auffallendste Unterschied beim Vergleich altrömischer mit modernen Tischsitten ist, daß die Römer auf diesen lecti triclinares bei Tische lagen. Eine Andeutung dieser Sitte fällt in der Cena Trimalchionis schon im zweiten Kapitel auf: "... apud quem cubitum ponitis" (Petr. 27,4). Lectus triclinaris mit Bett zu übersetzen, würde den Sachverhalt aber nicht korrekt wiedergeben, denn was heute begrifflich unter diesem Ausdruck zusammengefaßt wird, unterschieden die Römer je nach Verwendungszweck, da man sich nicht nur zum Schlafen ins Bett zurückzog.

So verstand man unter lectus cubicularis das Schlafbett, man kannte den lectus lucubratorius, auf dem Arbeiten verrichtet wurden, die man heutzutage am Schreibtisch erledigt, und als dritten Verwendungszweck gab es den lectus triclinaris, das Speisesofa.

Ein Speisesofa unterschied sich häufig nicht von einem lectus lucubratorius, dafür aber in wesentlichen Punkten von einem Ruhebett: Speisesofas waren niedriger, hatte keine Lehne, dafür aber an der zur offenen Seite des Speisezimmers gewandten Schmalseiten eine lehnenartige Schranke. Zudem nahmen auf einem Speisesofa drei Personen Platz, ein Bett bot maximal Platz für zwei. Hier wird sehr leicht evident, daß weder die Bezeichnung Bett noch Sofa einem lectus triclinaris gerecht wird.

Gestell

Ursprünglich waren die lecti triclinares breite hölzerne Gestelle, die nach der Außenseite - von wo aus sie bestiegen wurden - niedriger und nach der Tischseite hin höher waren. Die ungefähre Länge betrug ca. zwei Meter, sie waren einen Meter breit und 50 - 70 cm. hoch. Ein gewöhnliches Speisesofa trug über diesem hölzernen Gestell ein Netz von ledernen Gurten oder Seilen.

Da die Speisesofas vor allem für Einladungen bestimmt waren, fand der zunehmende Luxus der ausgehenden Republik und der Kaiserzeit hier sehr rasch seinen Niederschlag. Die Gestaltung bezüglich des Materials, der eleganten Form und der Ausrüstung wurde immer aufwendiger, weil derartige Speisesofas wichtige Statussymbole und Demonstrationsobjekte des Wohlstandes waren. So gab es statt der hölzernen Gestelle bald bronzebeschlagene mit gedrechselten Füßen, mit Silber eingelegt, Speisesofas mit Gold-, Schildplatt oder Elfenbeinintarsien und sogar ganz aus Metall gearbeitet.

Ausstattung

Auf den Gurtnetzen lagen die Matratzen und Kissen, die ursprünglich mit Stroh, Heu oder Gras gefüllt waren. Bei wohlhabenden Gastgebern der Kaiserzeit fanden Füllstoffe wie Wolle oder Federn Verwendung. Darüber breitete man Decken und Tücher, die als Unterlagen und Zudecken dienten. Ebenfalls ein Zeichen von Wohlstand war, dieses Bettzeug golddurchwirkt oder purpurfarben zu gestalten. Zudem befand sich auf jedem der neun Plätze eines tricliniums ein Kissen (Petr. 59,3). Dieses Kissen diente keinesfalls zur Zier, sondern war dazu gedacht, die Lage beim Essen bequemer zu gestalten: da man sich beim Essen mit dem linken Ellbogen aufstützte (Petr. 39,2), benötigte man vor allem unter diesem ein Polster. Auch wenn es aus heutiger Sicht unbequem erscheinen mag, beim Essen auf den linken Arm gestützt zu liegen, empfanden das die Römer bei weitem nicht so. Gerade das Liegen erschien ihnen als Ausdruck einer genußvollen und streßfreien Unbeschwertheit.

Wie die Speisesofas in der Cena Trimalchionis nun exakt gestaltet waren, wird nirgendwo expressis verbis ausgedrückt, aber aus einigen Andeutungen läßt sich schließen, daß die lecti vergoldet waren: "tantum auri vides" (Petr. 37,7). Auch liegt die Vermutung nahe, daß die Bezüge aus Purpur bestanden, wenn schon die Kissenfüllungen so eingefärbt waren: "... nulla non aut conchyliatum aut coccineum tomentum habet." (Petr. 38,5). Das Symbol dieser von der Purpurschnecke gewonnenen Farbe, deren Verwendung das Ehrenvorrecht der oberen Stände darstellte und Macht sowie Würde ausdrückte, paßt in das Bild, das Trimalchio von sich darstellen will.

In der Cena Trimalchionis finden außerdem die "toralia" (Petr. 40,1) Erwähnung, die sonst in der Literatur eher selten auftauchen, worunter man sich Behänge, mit dem das Speiselager vom Polster bis zum Boden verhüllt wurde, vorstellen muß.

Aufstellung der lecti triclinares

Obwohl man als Zeichen des Wohlstandes gerne Speisesofas von verschiedenem Material und abwechselnden Formen hatte, gebot doch der gute Geschmack, drei an Material, Größe und Ausstattung gleiche lecti, auf denen je drei Personen Platz fanden, zu einem triclinium zusammenzustellen.

Im Rom der Kaiserzeit waren zwei Methoden bekannt, wie man die Speisesofas zu einem triclinium arrangieren konnte.

Die ursprüngliche Art war, drei lecti triclinares rechteckig um einen quadratischen Tisch zu einem triclinium zusammenzurücken. Je nach Platzangebot wurden die drei lecti asymmetrisch aneinandergerückt, so daß bei zwei Speisesofas nur jeweils eine Hälfte der Längsseite frei blieb. So nahm die Aufstellung nur die Fläche eines Quadrats von drei bis vier Metern Seitenlänge ein.

Als Variation kann man finden, daß die drei lecti so aufgestellt waren, daß sie nur mit den Ecken zusammenstießen, zwischen je zwei lecti also ein offener Winkel entstand und die dem Tisch zugewandte Seite völlig offen blieb. Diese symmetrische Hufeisenformanordnung kam häufig in reichen Häusern vor, die es sich leisten konnten, mit dem umbauten Raum großzügiger umzugehen. Oft gab es sogar noch einen Umgang um die lecti, die circumitio, so daß die Sklaven jederzeit Zugang zu jedem Platz hatten und auch das Besteigen der lecti triclinares leichter war.

Die zweite Methode hatte sich erst gegen Ende der Republik entwickelt. Mit Aufkommen der mensae citreae, die runde Tischplatten hatten und auch als Eßtische verwandt wurden, verwandelte man die drei in rechtem Winkel zueinander gesetzten lecti in ein einziges großes, halbkreisförmiges Speisesofa. Aufgrund seiner Form erhielt dieses Lager den Namen sigma oder stibadium oder accubitum. Gewöhnlich nahmen auf so einem sigma nur fünf bis acht Personen Platz. Auch gab es nicht mehr ein einzelnes Kissen pro Person, sondern ein großes, zusammenhängendes, das auf der Innenseite des lectus verlief. Die Form des sigma erhielt sich bis in das Mittelalter hinein.

Es ist relativ offensichtlich, welcher Einrichtung sich Trimalchio bei seinem Gastmahl bedient. Aufgrund seines Reichtums kann man wohl sicher sein, daß er es nicht nötig hat, die platzsparende Variante der ersten Möglichkeit aufstellen zu lassen. Außerdem befiehlt er, "suam cuique mensam assignari" (Petr. 34,5), was eigentlich nicht üblich war, da man von einem gemeinsamen Tisch aß, womit er aber wohl besonderen Luxus ausdrücken will. Diese Tatsache beweist jedoch, daß es sich nicht um die sigma-Form handelt, bei der es stets nur einen einzigen runden Tisch gab. Auch die Platzverteilung läßt keine andere Vermutung zu.

Platzetikette

Bezüglich der Verteilung der neun vorhandenen Liegeplätze herrschte eine strenge Etikette, die auch in der Cena Trimalchionis oft erwähnt wird (Petr. 31,8; 36,8; 38,7; 38,11; 65,7). Der lectus triclinaris, der an beiden Seiten von lecti flankiert war, hieß medius lectus. Von den auf diesem Speisesofa liegenden Gästen aus gesehen befand sich der summus lectus auf der linken und der imus lectus auf der rechten Seite. Die einzelnen lecti wurden nochmals unterteilt, und zwar galt bei dem imus lectus wie auch bei dem summus lectus der Platz, an dem die bereits erwähnte lehnenartige Schranke das bequemste Liegen ermöglichte, als der beste und wurde ebenfalls wieder summus genannt. Der direkt daneben gelegene hieß medius und der am weitesten von der Lehne entfernte Platz wurde mit imus bezeichnet. Auf dem medius lectus dagegen galt der imus-Platz als der beste (Abb. 8).

Normalerweise war der imus lectus für den Gastgeber und seine Familie gedacht, die beiden anderen für die Gäste, wobei die vornehmsten Gäste auf dem medius lectus lagen.

Als absoluter Ehrenplatz galt damit der imus in medio, der bei der Cena Trimalchionis dem Habinnas freigehalten wird. Der Grund dafür, daß dieser Platz der Ehrenplatz war, liegt darin, daß man auf diesem, der auch locus consularis oder "locus praetorius" hieß (Petr. 65,7), einerseits dem Gastgeber direkt gegenüber lag, zum anderen konnte man über die freie Ecke des tricliniums Meldungen entgegennehmen, ohne sich umdrehen zu müssen. Der Gastgeber selbst lag also auf dem summus in imo, was aber bei der Cena Trimalchionis nicht der Fall ist. Trimalchio nimmt den zweiten Ehrenplatz der Tafelrunde ein, den summus in summo-Platz (Petr. 31,9); das ist zwar typisch für ihn, widerspricht aber den allgemein üblichen Tischsitten. Die beiden anderen Plätze auf dem imus lectus waren der Familie des Gastgebers oder einem Freigelassenen vorbehalten. Der Platz, auf dem der Freigelassene lag, hieß "locus libertini" (Petr. 38,11), und war meistens der imus in imo-Platz.

Es kann sich bei Trimalchio also deshalb keinesfalls um eine sigma-förmige Tischanordnung handeln, denn bei dieser gab es keine derartigen Platzbezeichnungen, außerdem wären die Ehrenplätze die beiden Eckplätze gewesen.

Lage der Gäste bei Tisch

Im Vergleich zu der komplizierten Platzetikette ist die Lage der Gäste dagegen relativ einfach zu erklären. Man lag auf dem linken Ellbogen aufgestützt parallel zueinander, die Füße an der Außenseite der Speisesofas, die Köpfe zum Tisch hingewandt, wobei die Blickrichtung so war, daß der Gastgeber vom summus in imo-Platz aus seinen Ehrengast ohne Drehung direkt ansehen konnte. Diese Lage wurde aber nur während des Essens eingehalten, danach versuchte man, sich bequemer hinzulegen und sich dem Gast zuzudrehen, mit dem man sich gerade unterhielt. So schuf die triclinium-Form eine gute kommunikative Situation.

Doch brachte diese strenge Platzetikette natürlich auch Probleme mit sich. Durch sie wurde die Zahl der Teilnehmer eines Gastmahls auf neun begrenzt, denn es galt es als unfein, wenn sich mehr als drei Personen auf einem lectus versammelten. Dahingegen war es kein Problem, auch nur zu zweit oder allein auf einem Speisesofa zu liegen.

Im alten Rom gehörte es durchaus zu den Gepflogenheiten, Freunde zu einem Gastmahl mitzubringen. Diese ungeladenen, aber doch willkommenen Gäste erhielten bezeichnenderweise den Namen umbra. Doch sollten zu viele umbrae auftauchen und war für sie kein Platz mehr auf dem triclinium, mußten sie mit Stühlen vorliebnehmen.

Entwicklung der Liegesitte

Daraus läßt sich erkennen, daß man in Rom ursprünglich im Sitzen zu essen pflegte, und sich die von den Griechen übernommene Sitte des Liegens bei Tisch erst mit einer zunehmenden Entwicklung der Speisekultur durchgesetzt hatte. So durften in älteren Zeiten der Republik auch nur die Männer bei Tisch liegen, während die Frauen aus Gründen der Schicklichkeit zu sitzen hatten, wenn ihnen überhaupt gestattet war, an einer cena teilzunehmen. In der Kaiserzeit hingegen, als das Liegen bei Tisch bereits allgemein üblich war, kam es häufiger vor, daß sich die Ehefrauen, und in ganz seltenen Fällen auch weibliche Gäste, mit auf die lecti triclinares legten. Weibliche Teilnehmer an einem Gastmahl blieben jedoch eher die Ausnahme, so daß eine cena in den meisten Fällen ein reiner Herrenabend war.

Es liegt der Verdacht nahe, daß Petron in seiner Cena Trimalchionis nicht eine derartige Ausnahme schildern will, wenn er außer der Frau Trimalchios, Fortunata, auch die des Ehrengastes, Scintilla, ganz ungezwungen am Gastmahl teilnehmen (Petr. 67,5) und sogar Alkohol trinken (Petr. 67,11) läßt, sondern vielmehr ein pseudoprogressives Gehabe.

Ein weiteres Indiz für diese Annahme findet sich, wenn man die Unterbringung der Sklaven bei Tisch untersucht. Üblicherweise saß die Gefolgschaft eines Gastes, die z.B. aus einem Sekretär, aber auch aus mehreren Personen bestehen konnte (Petr. 63,3), auf Bänken hinter den lecti triclinares (Petr. 64,13; 68,4), oder die Sklaven mußten stehen (Petr. 58,1). Bisweilen erhielten sie Teile der servierten Speisen aus der Hand ihres Herrn (Petr. 72,9). Dabei war die Zahl der Sklaven jedoch nie so groß, daß die Gäste "... paene de lectis deiecti ..." (Petr. 70,11) wurden. Dies ist nur in der Cena Trimalchionis der Fall, da Trimalchio auch seine Haussklaven auffordert, sich ebenfalls in den Speisesaal zu begeben. Das stellt einen eindeutigen Bruch mit den Tischsitten der Römer in der Kaiserzeit dar.

Fußwaschung

Doch auch wenn man den Speiseraum betreten und sich auf dem zugeteilten Platz auf dem Speisesofa niedergelassen hatte, kam man erst in den Genuß der Vorspeise, wenn man seine Sandalen abgelegt hatte. Dafür wurde ein eigener Sklaven mitgebracht, der seinem Herren die Fußbekleidung auszog und sie während der cena verwahrte. Sehr häufig wurden die Füße vor dem Mahl auch noch gewaschen, eine Aufgabe, die in den meisten Fällen die Sklaven des Gastgebers zu übernehmen hatten: "... Buben aus Alexandria [gossen uns] schneegekühltes Wasser auf die Hände ... und andere [machten] sich gleich danach an unsere Füße ..., um uns mit ungeheuerer Gründlichkeit die Nietnägel zu beseitigen." (Petr. 31,3).

Erst wenn auch diese Handlung vorüber war, konnte mit dem Gastmahl begonnen werden.

Besteck

Eine weitere römische Eigenart war, daß während des Essens so gut wie kein Besteck benutzt wurde.

Messer

Die Sitte, mit Messer und Gabel zu speisen, konnte sich aus einem ganz einfachen Grund nicht in Rom durchsetzen: da Tischbestecke wie Messer und Gabel mit einer Hand - mit der freien rechten, auf dem linken Ellbogen lag man ja aufgestützt - kaum handhabbar waren, blieben sie auch weitgehend unbekannt und ihr Gebrauch bei Tisch unüblich. So wurde bereits alles in der Küche - wo man Messer und Gabeln verwandte - in mundgerechte Häppchen geschnitten und dann serviert.

Lediglich wenn es darum ging, größere Speisen wie etwa Hasen, Poularden und Saueuter (Petr. 36,2) oder einen Keiler (Petr. 40, 3) fachmännisch zu zerlegen, geschah dies bei Tisch. Die Verwendung eines Trancheurs (Petr. 36,6; 40,5) der vor den Augen der Gäste arbeitete, gewährleistete, daß das Küchenpersonal nicht die besten Fleischstücke selbst zurückbehielt.

Gabeln

Wann es üblich wurde, die Gabeln beim Essen am Tisch zu gebrauchen, ist umstritten. Eindeutig nachgewiesen ist, daß sie bereits in der Antike in der Küche zur Zubereitung der Speisen eingesetzt wurden. Zwei Fakten sprechen gegen eine Benutzung bei Tisch: zum einen gibt es kein lateinisches Wort für die Tischgabel, furca, furcilla und furcula bezeichneten niemals ein Tischgerät, zum anderen liegen nur sehr wenige und unsichere Nachrichten über angebliche Funde antiker Gabeln vor.

Im Jahr 1874 wurden allerdings in Rom zwei silberne Gabeln ausgegraben, deren Form so zierlich ist, daß sie ohne weiteres bei Tisch hätten verwendet werden können. Einige Archäologen sind sich daher sicher, daß die Gabeln in Rom ab dem 2. Jh. n. Chr. gebräuchlich waren. Diese These scheint aber fraglich, weil beispielsweise der Gebrauch der Gabel für andere europäische Länder erst sehr viel später nachzuweisen ist, in Frankreich findet die Gabel ihren ersten schriftlichen Beleg beispielsweise im Jahr 1379. Zu der Zeit aber, als Petron lebte, sind Tischgabeln ohne Zweifel unbekannt gewesen.

Löffel

Die Löffel waren die einzigen Hilfsmittel, die beim Essen benutzt wurden. Man kannte verschiedene Arten, bei Tisch waren nur zwei gebräuchlich.

Die eine Form der Löffel wurde als ligula bezeichnet. Sie hatte ihren Namen vom Diminutivum von lingua erhalten, weil die Form der länglich zugespitzten Höhlung des Löffels mit der der Zunge verglichen wurde. Der Stiel lief in der Regel in einen Tierfuß oder ein ornamentales Motiv aus. Die ligula - vergleichbar etwa mit unseren Eßlöffeln - war die schwerere der beiden Löffelgattungen und diente zum Verzehr von Suppen, Mehlspeisen und Speisen in Brühe. Ein derartiger Löffel kommt in der Cena Trimalchionis nicht vor.

Erwähnt wird dagegen die zweite Art, "cochlear" genannt (Petr. 33,6). Hierbei handelt es sich um einen kleinen, flachen Löffel mit kreisrunder Höhlung und einem nadelförmig auslaufendem Stiel. Damit aß man Eier (Petr. 33,4 ff.); beim Verzehr von Schnecken und Austern drehte man den Löffel um und benutzte die Spitze, womit man einen einfachen und doch zweckmäßigen Gabelersatz gefunden hatte.

Löffel konnten aus verschiedensten Materialien bestehen, von Holz über Ton bis hin zu Horn und Weißmetall sowie Silber oder sogar Gold war alles denkbar. Bei der Cena Trimalchionis dürften diese Löffel, wie das meiste übrige Geschirr auch (Petr. 31,10; 34,3), aus Silber sein.

Nachdem also Messer und Gabel für das Essen bei Tisch nicht, und auch die Löffel nur für Eier und Muscheln benutzt wurden, war man darauf angewiesen, mit den Fingern zu essen. Damit konnte man sich von Schälchen, Tellern und Platten nach Belieben bedienen. Dabei kam es nur selten vor, daß man sich den Mund mit einer zu heißen Speise verbrannte, das Kühlen der Speisen mit Atemluft galt als extrem unfein. Aber auch wenn mit den Fingern gegessen wurde, darf man nicht davon ausgehen, daß es beim Essen unzivilisiert zuging. Mit der Kochkunst und der zunehmenden Häufigkeit von Tischgesellschaften war auch die Etikette fortgeschritten, gegen die man nicht gerne verstieß. So war ein Zeichen guter Tischmanieren beispielsweise vorsichtiges und appetitliches Zugreifen mit den Fingerspitzen. Da man also die meisten Gerichte einer cena mit den Fingern zum Mund führte, war es nötig, diese gelegentlich zu waschen.

Fingerwaschen

Normalerweise wusch man sich die Finger nach jedem Gang, wofür Sklaven mit eigens dafür vorgesehenen Schüsselchen mit kaltem oder warmem Wasser bereitstanden. Trimalchios Sklaven waschen den Gästen vor der ersten Vorspeise die Hände mit schneegekühltem Wasser (Petr. 31,3), was völlig üblich war. Nach Beendigung der Vorgerichte hingegen wird kein Wasser mehr gereicht: "... vinumque dedere in manus ..." (Petr. 34,4). Wie erstaunt Trimalchios Gast Encolpius darauf reagiert, zeigt, daß dies nicht nur den Gewohnheiten widerspricht, sondern daß es sich hierbei um eine weitere ausgefallene Idee des Gastgebers handelt.

Servietten

Bei diesen Eßgewohnheiten waren Servietten, "mappae" (Petr. 32,2), verständlicherweise unabdingbar. Der Gebrauch der Servietten, die, wie der Name schließen läßt, von den Puniern kommen, ist seit dem ersten Jahrhundert v. Chr. für Rom erwiesen.

Doch neben der Verwendung als Mundtuch, wofür sie ursprünglich nur bei Gelagen der feineren Gesellschaft benutzt wurden, hatten die mappae noch eine weitere Funktion zu erfüllen: in ihnen nahm man Speisen, bevorzugt vom Nachtisch, und Gastgeschenke mit nach Hause. Es verstieß ebensowenig gegen die Tischsitten, seinem Lieblingssklaven Kleinigkeiten mitzubringen: "Mein kleiner Haussklave macht mir eine Szene, wenn ich ihm nichts mit nach Hause bringe" (Petr. 66,4), wie auch die Mitnahme von Speisen als Ausdruck einer Vorsorgementalität für das nächste prandium nicht als unfein galt.

Diese zwei verschiedenen Verwendungszwecke sind auch der Grund dafür, daß einerseits der Gastgeber die Servietten stellte, die zum Mundabputzen gedacht waren, und daß man andererseits seine eigenen Servietten mitbrachte, da man das, was man mitnehmen wollte, schlecht in eine fremde und auch der damaligen Benutzungsweise gemäß oft stark verschmutzte Serviette packen konnte. Denn der Diebstahl von Servietten, die häufig aus teueren Stoffen bestanden, verstieß in gleichem Maße gegen die Etikette, wie auch allzu große Maßlosigkeit beim Einpacken.

Apophoreta

Doch im Normalfall stellte sich das Problem, was und wieviel mitgenommen werden durfte, nicht. Es gehörte zu den Tischsitten, seinen Gästen im Verlauf einer cena kleine Aufmerksamkeiten, "apophoreta" (Petr. 40,4; 56,8) zu überreichen.

Die Liste der Dinge, die als Tafelgeschenke verwendet wurden, ist lang. So verschenkte man Kleidungsstücke oder Haushaltsgegenstände ebenso wie Salben oder Parfüms (Petr. 60,4). Oft bestanden die Präsente aber durchaus auch aus Nahrungsmitteln, wie etwa die Ferkel aus Marzipanteig (Petr. 40,4) oder die weiteren Eßwaren, die Trimalchio von seinen Gästen losen läßt (Petr. 56,8).

Unterhaltung

Die Teilnehmer einer cena erwarteten von ihrem Gastgeber neben den Speisen und den Präsenten auch, daß er für die Unterhaltung der Gesellschaft sorgte. Derartige Zerstreuungen konnten aus angeregten Gesprächen (z.B. Petr. 41,10 ff.) bestehen, sehr häufig traten zwischen den Gängen Akrobaten (Petr. 53,11), Musiker (Petr. 32,1) und Rezitatoren (Petr. 59,2) auf. Ohne Zweifel nutzte der eine oder andere Gastgeber - wie auch Trimalchio (Petr. 39,5) - die Gelegenheit, eigene Poesien oder Lieder vorzutragen, manchmal sicher zum Leidwesen der Gäste. Auch Martial erwähnt berüchtigte Trinkgesellschaften, die dem Hausherrn als unfreiwilliges Auditorium dienten.

Toilette

Es galt als unüblich, während der das Essen begleitenden Darbietungen oder Rezitationen den lectus zu verlassen, sei es auch nur, um die Toilette aufzusuchen. Das konnte natürlich angesichts üppiger Festmahle zu mancherlei Schwierigkeiten führen.

In der Literatur werden einige Personen erwähnt, die zum Urinieren ihre Liegen nicht verließen und sich einfach von einem Sklaven eine Schüssel zur Entleerung der Blase unterhalten ließen. Doch - sei es beim Essen oder auch nur beim Ballspiel - dies galt in Gegenwart von Gästen schlicht als ungehörig. Obwohl Trimalchio also mit seinem Verhalten beim Ballspiel gegen diese Norm verstößt (Petr. 27,6), geht er doch nicht so weit, diese Unsitte auch bei der cena zu praktizieren. Dagegen erlaubt er sich (Petr. 41,9) und seinen Gästen (Petr. 47,5), ungeniert von der Liege aufzustehen, um zur Toilette zu gehen, was einen Bruch mit der damaligen Etikette bedeutet.

Wie mit dem Urinieren bei Tisch verhielt es sich auch mit der Flatulenz. Zwar hatte Neros Stiefvater Claudius sich mit der Überlegung getragen, "... leise und laute Blähungen bei Tisch..." mittels eines Rechtsediktes zu erlauben, dieses Vorhaben jedoch nicht in die Tat umgesetzt. Als großzügiger Gastgeber gestattet Trimalchio, der selbst unter Blähungen leidet: " alioquin circa stomachum mihi sonat ..." (Petr. 47, 3), seinen Gästen, sich wider die Tischsitten im triclinium zu erleichtern. Denn "... keiner ist mit Verschluß geboren ..." (Petr. 47,4) und seiner "... Ansicht nach gibt es keine dermaßene Qual wie das Anhalten ..." (Petr. 47,4). Außerdem "... verbieten die Ärzte das Anhalten ..." (Petr. 47,5) und "... die Flatulenz geht ins Gehirn und verursacht im ganzen Körper Aufruhr" (Petr. 47,6).

Brechmittel

Ein weit verbreitetes Vorurteil über die Römer ist, daß die Benutzung von Brechmitteln zu den üblichen Tischsitten gehörte. Richtig ist dagegen, daß in Wirklichkeit die regelmäßige Einnahme solcher Vomitive aber nur die ungesunde Praxis einiger weniger Gourmands war. Personen, die regelmäßig zu Federkiel, lauwarmem Wasser oder Wasser mit Salz griffen, um den vollgestopften Magen zu erleichtern und Platz für weitere Mahlzeiten zu schaffen, gehörten selbst in der Oberschicht zur Minderheit. Auch unter den Ärzten war ein Streit entbrannt, ob derartige Praktiken aus diätetischen Gründen sinnvoll seien oder nicht. In der Cena Trimalchionis findet sich kein Anzeichen für die Verwendung von Brechmitteln.

Opfer

Wenn die Hauptmahlzeit beendet war, trat in der Regel eine kleine Pause ein, in der man unter Schweigen den Laren, den Schutzgöttern des Hauses, ein Speiseopfer darbrachte. Dieser Brauch war schon früh üblich und hat sich, wie das Tischgebet vor dem Essen, sehr lange gehalten. Doch während sich in der Cena Trimalchionis keinerlei Anhaltspunkte für ein Gebet finden lassen, wird das Speiseopfer beschrieben.

Das Opfer wird in Form von verschiedenen Kuchen dargebracht, wobei der auffälligste unter ihnen eine Priapus-Nachbildung aus Teig ist. Die Gäste bemerken zuerst nicht, daß Trimalchio die Kuchen, eine typische Opfergabe, zu diesem Zweck auftragen läßt, und reagieren unangemessen: " avidius ad pompam manus porreximus, ..." (Petr. 60,5).

Erst bei der Berührung der Kuchen kommt ihnen der Gedanke, daß es sich um eine Opfergabe handeln könnte, da diese Kuchen mit Safranwasser getränkt sind, das häufig in Kulthandlungen verwendet wurde. Man liebte es beispielsweise, das Wohn- oder das Speisezimmer mit Safranwasser zu besprengen (Petr. 68,1).

Der Safran wurde aber nicht nur bei Opfern verwendet. Man nahm ihn außerdem zum Würzen und zum Färben. Die Herstellung des Safran war sehr aufwendig, da er aus den Blüten des Safrankrokus gewonnen wurde, für ein Pfund Safran benötigte man 100.000 bis 200.000 Blüten. Safran wurde schnell zu einem begehrten römischen Handelsgut, und die Prachtliebe der römischen Oberschicht, allen voran der Kaiser, hatte zur Folge, daß man in Rom sehr viele Gärten mit dem Safrankrokus bepflanzte. Diese Blume symbolisierte Wohlstand und zudem waren die großen Flächen, auf denen diese hellviolett blühenden Pflanzen standen, sicher sehr schön anzusehen.

Doch obwohl allen Gästen klar wird, daß es sich um ein Opfer handelt: "rati ... sacrum esse fericulum..." (Petr. 60,7), nehmen sie es mit der Opferhandlung nicht zu genau. So wird beispielsweise nicht geschwiegen und man geht sogar so weit, Früchte und Kuchenstücke einzustecken, um sie mit nach Hause zu nehmen - es muß sich bei Trimalchios Gästen wohl um eine etwas pietätlose, abergläubische Gesellschaft gehandelt haben.

Auch der Beginn eines Trankopfers wird eingeleitet: "... Lares bullatos super mensam posuerunt, unus pateram vini circumferens "dii propitii" clamabat." (Petr. 60,8).

Spätestens an diesem Punkt sollte klar sein, daß es sich bei den Kuchen um ein Speiseopfer gehandelt hat, da die Weinopfer nur in seltenen Fällen ohne die dazugehörige Fleisch- oder Kuchenspende vorkamen. Wie sich dieses Trankopfer im folgenden gestaltet, läßt sich nicht herausfinden, da ausgerechnet an dieser Stelle eine nicht mehr rekonstruierbare Textlücke besteht. Im Normalfall goß man etwas Wein auf den Fußboden, wodurch man die Götter gnädig zu stimmen hoffte.

Carcopino unterliegt an dieser Stelle in seinen Ausführungen zur Cena Trimalchionis einem klaren Irrtum. Er behauptet nämlich, daß das Auftragen des Priapus als erster Nachspeisengang zu werten ist. Zwar ist die Opferhandlung zugegebenermaßen nicht ohne weiteres zu erkennen, doch hätte es in der frühen Kaiserzeit einen klaren Stilbruch bedeutet, ohne jegliches Opfer zu den Nachspeisen überzugehen. Außerdem kann mit Gewißheit ausgeschlossen werden, daß die Kuchen zu den Nachtischen gehören. Trimalchio selbst befiehlt erst in Kapitel 68, daß die "... secundas mensas ... afferri." (Petr. 68,1). Vermutlich gelangt Carcopino zu seiner Ansicht, weil die Kombination Kuchen-Obst nachspeisentypisch ist.

Neben dem Wein- und Speiseopfer gehörte es zum römischen Kultleben, daß auch ein Salz-opfer dargebracht wurde. Aus diesem Grund war auch das Salzfaß zum unentbehrlichen Stück der Tischeinrichtung geworden, das auch in ärmeren Haushalten nur selten fehlte.

 

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